Rezension zu "Bonusland" von Götz Nitsche
Wer kennt es nicht oder wird früher oder später damit konfrontiert: Das Master-Studium ist abgeschlossen, der Einstieg in den Beruf steht bevor. Doch kann das wirklich schon alles sein? Die Aussicht auf 40 Jahre Bürojob? Götz Nische entschließt sich kurzerhand, dies noch herauszuzögern und sich auf eine Reise zu begeben. Zuerst scheint es, als würde er vor der Zukunft und den Problemen davonlaufen, doch am Ende stellt sich heraus, dass, wenn die Reise etwas bewirkt hat, dann, dass er zu sich selbst gefunden hat und eine bessere und reifere Version seiner selbst wurde.
Seine Reise beginnt in Südamerika. Dort reist er als Backpacker. Eine Begegnung mit einem sogenannten Radwanderer, der mit dem Fahrrad Südamerika erkundet, lässt ihn seine bisherige Reiseart hinterfragen und inspiriert ihn zu dem Vorhaben, nach seinem Aufenthalt in Südamerika in das Land zurückzukehren, in dem er 10 Jahre zuvor einen Schüleraustausch gemacht hat: Neuseeland. Diesmal will er es aber nicht mit Reisebussen erkunden, sondern mithilfe der eigenen Muskelkraft.
Das Buch zeigt, dass man ein Land sehr viel besser kennenlernt, wenn man eine solch flexible Reiseart wählt. Oft begegnet Götz Touristen, die nur die üblichen Attraktionen besichtigen und sich nicht die Zeit nehmen, das wahre Gesicht des Landes zu erkunden. Götz dagegen trifft gerade aufgrund seiner ungewöhnlichen Art zu Reisen oft durch Zufälle Menschen, die ihm für ein paar Tage Obdach gewähren oder sogar Dinge kostenlos mit ihm unternehmen. Eine Kanufahrt auf einem einsamen See, ein Segeltörn mit einem alten Mann oder die Übernachtung in einem leerstehenden Hotel sind nur ein paar Beispiele. Götz erlebt die Kiwis als ein übermäßig gastfreundliches und sehr gelassenes Volk, was er der geringen Bevölkerungsanzahl zurechnet. Er will sich diese Gelassenheit unbedingt bewahren, die Fähigkeit, Menschen mit offenen Armen aufzunehmen, die man gerade erst kennengelernt hat, etwas, was ihm während seiner Reise oft völlig unverhofft und gerade im richtigen Moment zuteil wurde.
Ein inspirierender Roman, der leider für meinen Geschmack aber an manchen Stellen etwas zu langatmig war, z.B. bezüglich der Landschaftsbeschreibungen. Selbst wenn man bereits in Neuseeland war, kann man sich die Landschaft nicht immer so gut vorstellen, da helfen dann auch die tausenden Details nicht. Was ich aber sehr interessant fand, waren die Infos über die Maoris, ihre Mythologie und auch die naturwissenschaftlichen/geografischen Facts über Neuseeland, die der Autor immer mal wieder eingestreut hat und die einen manchmal schon staunen lassen haben. Zudem ist der Autor sehr selbstreflektiert und ehrlich mit sich selbst ins Gericht gegangen. Am Anfang fand ich das noch etwas nervig, da mir der Autor so ein wenig unsympathisch und spießig vorkam, allerdings zeigte dies am Ende die Entwicklung, die der Autor während der Reise durchgemacht hatte. Ich habe bereits spannendere Reiseromane gelesen, aber dieser Roman ist auf jeden Fall trotzdem sehr inspirierend und regt zum Nachdenken über den Sinn und das persönliche Glück des Lebens an.