Cover des Buches Ava (ISBN: 9783406659669)
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Rezension zu Ava von Günter Ohnemus

Günter Ohnemus: großer neuer Roman

von Bardola vor 10 Jahren

Kurzmeinung: Ein ganz großer München-Roman. Aus Ohnemus' Motiven machen andere Autoren fünf Romane. Konzentrierte Prosa. Unnachahmliche Literatur.

Rezension

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Bardolavor 10 Jahren

Ein Mann steht „am Ende oder Anfang der Schützenstraße vor dem Café Anna“ und wartet auf die Konstante in seinem Liebesleben, auf Gloria, die Frau mit dem hexenhaften Lächeln. Wartend erinnert er sich an seine Erlebnisse mit dieser Spionin, dieser amerikanischen Nato-Mitarbeiterin aus Paris und an die Geschichte des hohen Hauses, das da zwischen zwei Straßen zu einem Dreieck zusammenläuft. München mit seinen Gebäuden, Plätzen und Menschen, ja sogar mit seinen Drogeriemärkten bildet sehr viel mehr als nur die Kulisse des neuen Romans von Alfred-Kerr- und Tukan-Preisträger Günter Ohnemus. Der Leser lernt die Pini-Haus-Geschichte ebenso kennen wie die Motive für einen Sockenklau bei Karstadt, die verbotenen Handlungen verliebter Bücherdiebe im Hugendubel am Marienplatz vor dem Regal „Große Gefühle“ oder die besondere Stimmung in der Münchner U-Bahn an einem 24. Dezember. Gerald Romberg, Übersetzer und Autor des Slapstick Romans Blue Boy ist ein hocherotischer Kniefetischist und bibelfester Atheist, der irgendwo im Internet unter der Kategorie „Lebt noch“ und „Beobachtungskandidat“ geführt wird. Gerald, Alter Ego des Autors Günter Ohnemus (geboren 1946), den Die Zeit treffend als „der amerikanische Romantiker der deutschen Literatur“ bezeichnete, soll Christopher Isherwoods Roman Praterveilchen von 1945 neu ins Deutsche übersetzen. Women always recognize a man who wants this thing from them. They come to him, like horses. In der alten Übersetzung steht: Sie spüren es sofort und kommen zu ihm gelaufen wie die Stuten. „Dieser letzte Satz macht alles kaputt. Da wird etwas, das mit Sex fast gar nichts mehr zu tun hat, wieder auf Sex zurückgebracht. Da wird eine Beobachtung, die vielleicht noch niemand so genau gefasst hat, einfach banalisiert“, ärgert sich Gerald. Fortan wird diese Textpassage zu einem Leitmotiv, denn Gerald ist umgeben von sich nähernden und unvergesslichen Frauen: Da ist Geralds Cousine Julia, die sich mit zwanzig Jahren das Leben nahm. Als Julia und Gerald 17 waren, flüchteten sie von zu Hause, blieben neun Monate verschwunden und wurden danach für immer getrennt. Diese Erfahrung prägt Gerald bis zuletzt. Nicht einmal Gloria kann ihm Julia ganz austreiben. Da ist die deutlich ältere Elaine, die dem verzweifelten Studenten in München Literatur und Tennis beibrachte. Da ist Ava, die titelgebende Legende Ava Gardner und zugleich die Tochter von Gloria und Gerald, die sie nie bekommen haben. Aber irgendwann fangen Gerald und Gloria an, Ava in München zu suchen. Sie erfinden sich ihre Tochter und sie finden eine Statue, eine Nofretete und suchen für die sterbende Heldin, für die verstorbene Cousine und die ungeborene Tochter einen sakralen Ort. Und da sind Nora und Nina, zwei Namen, aber eine junge Frau, die sich bei einer Party Gerald nähert. Sie könnte seine Tochter sein. Sie verlieben sich und der alternde Gerald erlebt München in neuem Glanz. Eine grandiose Lovestory voller Querverweise zur US-Kultur und voller Zukunftslust samt Schlittschuhlaufen im Prinzregenten entfaltet sich vor den Augen der besorgten Gloria. Das Ende ist ein Cliffhanger, denn ohne ein Weihnachtswunder droht dem amerikanischen Stenz eine Ménage à trois. Aber der Leser weiß: Mit einem Friseurbesuch, mit windiger Eleganz durch die Isarmetropole stolzierend wird Gerald, dieser charmante Weiberheld seine Frauen weiter verführen. Drei neue Short Stories und einige bereits veröffentlichte Geschichten enthält der Band „Love, Life, Tennis and All That Jazz“, der auch kurzatmigen Lesern die kluge und lässig-elegante Erzählweise des Wahlmünchners näherbringt.
Günter Ohnemus: Ava oder die Liebe ist gar nichts. C.H. Beck. 240 S., Euro 18,95. Love, Life, Tennis and All That Jazz. Maro. 126 S., Euro 16.
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