Rezension zu "In Deutschland eine Jüdin, eine Jeckete in Israel" von Andrea Treuenfeld
WinfriedStanzickAndrea von Treuenfeld, geb. 1957, hat in Münster Publizistik und Germanistik studiert und nach einem Volontariat bei einer Tageszeitung lange als Kolumnistin, Korrespondentin und Leitende Redakteurin für namhafte Printmedien, darunter Welt am Sonntag und Wirtschaftswoche, gearbeitet. Heute lebt sie in Hamburg und schreibt als freie Journalistin Biografien und Reportagen mit Schwerpunkt Israel, das sie regelmäßig bereist, seit sie Ende der siebziger Jahre zum ersten Mal in einem Kibbuz lebte und dort Menschen traf, die aus Nazideutschland geflohen waren. Auch später bei weiteren Aufenthalten und bei der Begegnung mit weiteren deutschen Juden, stellte sie sich immer wieder die Fragen:
„Wie war es, die Schule, die Freunde und manchmal auch die Eltern und Geschwister verlassen zu müssen? Wie war es, legal per Schiff oder illegal auf dem Landweg, in ein neues Leben aufzubrechen, in dem absolut nichts mehr war wie zuvor? Wie war es, sich in dem Unbekannten einzurichten, Familien zu gründen und wachsen zu sehen – während das Unfassbare des Holocausts erst langsam bekannt wurde und damit auch die Verluste in der eigenen Verwandtschaft?“
Als eine der in diesem Buch von Andrea von Treuenfeld interviewten Frauen, Dr. Elly Freund, eine Kinderärztin aus Breslau, einmal zu ihr sagte:
„Hundert Jahre könnte man füllen mit Geschichten. Aber die Geschichten gehen verloren, weil wir nicht reden können. Ein ganz großes Schweigen, von einer Generation zur nächsten“, da entschloss sich Andrea von Treuenfeld, mit all den Frauen Gespräche zu führen, die sie in langen Jahren bei Besuchen und Aufenthalten in Israel kennengelernt hatte und deren Geschichte aufzuzeichnen. Frauen kommen hier zu Wort, die in ihrer neuen Heimat verspottet und teilweise auch verachtet wurden, weil ihre Einwanderung nicht zionistisch motiviert war. In Deutschland als Jude ausgegrenzt und verfolgt, wurden sie nun in Palästina als Jecke oder Jeckete beschimpft. Und dennoch haben die Jeckes, weil sie ihre in der Heimat gewohnten charakteristischen Eigenschaften wie Disziplin, Pünktlichkeit und Ehrlichkeit beibehielten, durch das Festhalten an ihrer Kultur das neue Land Israel geprägt wie kaum eine andere Gruppe von Einwanderern.
Lange Zeit ist diesen Menschen, den Jeckes, in Israel die Anerkennung für ihre Lebensleistung versagt geblieben. Inzwischen aber wird ihr Andenken in Israel geehrt und „der Spottname ist zur Auszeichnung geworden“.
Wenn man diese 16 bewegenden und berührenden Lebensgeschichten liest, weiß man auch warum.