Die seltsamen Schritte
von Elmar Huber
Kurzmeinung: Toller „kleiner“ Understatement-Krimi mit Nostalgiecharakter und Augenzwinkern.
Rezension
“Sollte man Pater Brown jemals die Frage stellen, welchen seiner kleinen Fälle er selbst für den bemerkenswertesten hält, so würde er vermutlich antworten, dass er seinen interessantesten Fall im Vernon Hotel gelöst habe. Dort nämlich gelang es ihm, allein durch genaues hinhören nicht nur ein Verbrechen zu verhindern, sondern darüber hinaus eine Seele zu retten und einen gestrauchelten zurück auf den Pfad der Tugend zu führen.”
STORY
Das kleine Londoner Vernon Hotel hat einen zweischneidigen Ruf, da das Platzangebot des Gasthauses bestenfalls als genügend zu bezeichnen ist. Einigen Kreisen, die bei ihren Treffen lieber unter sich bleiben möchten, kommt dies sehr entgegen und macht das Hotel zu einem beliebten Treffpunkt solch kleinerer Gruppen. Bei der jährlichen Zusammenkunft der „Zwölf wahren Fischer“, einer Gruppe von Landadligen, ist zufällig auch Pater Brown im Vernon anwesend. In seinem Zimmer wird der Geistliche Ohrenzeuge einer seltsamen Schrittfolge auf dem Hotelflur auf die er sich keinen Reim machen kann. Erst als er erfährt, dass das wertvolle Tafelsilber der Gäste gestohlen wurde, kann er einen Zusammenhang herstellen, der ihn schließlich mit einem alten Bekannten zusammenführt.
“Noch immer drangen die sonderbaren Schritte an sein Ohr. Er begann, sie mit den Fingern auf der Tischplatte zu verfolgen. Wie jemand, der versucht, eine Melodie auf dem Klavier zu üben. Zuerst kam eine lange Reihe von raschen, kleinen Schritten, wie sie etwa ein leichtfüßiger Mann machen würde. An einem bestimmten Punkt hielten sie inne und wurden zu einem langsamen, festen Auftreten. Kaum war der letzte. Stapfende Schritt verklungen, folgte wieder das Rennen leichterer Füße.”
MEINUNG
In dieser Reihe der Originalgeschichten – parallel erscheinen auch „Die neuen Fälle des Pater Brown“ als Hörbücher bei Winterzeit sowie als Romane im Blitz Verlag – hat man als Nummer 2 den dritten Originalfall des Pfarrers aus Edenbridge vertont. Das macht insofern Sinn, als dass der Hobbydetektiv hier wieder auf den Meisterdieb Hercule Flambeau (aus DAS BLAUE KREUZ) trifft und diesen ein zweites Mal innerhalb kurzer Zeit eines Verbrechens überführt. Statt ihn jedoch an die Polizei auszuliefern, redet er ihm erfolgreich ins Gewissen, so dass Flambeau „die Seiten wechselt“ und der Geistliche fortan sogar mit der Unterstützung des Franzosen bei seinen Nachforschungen rechnen kann.
Ansonsten hat man hier einen herrlich minimalistischen Krimi vor sich, der auch den Detektivkollegen Sherlock Holmes oder Hercule Poirot gut stehen würde. Die wohltuende Zurückhaltung in Sachen Dramaturgie und Action sorgen für ein gewisses Nostalgie-Feeling und machen den Reiz dieser Serie aus. Schade eigentlich – und um Grunde überflüssig -, dass die Handlung modernisiert und in die Gegenwart verlegt wurde.
DAS HÖRBUCH
Nach DAS BLAUE KREUZ führt auch hier wieder Brigitte Carlsen sehr angenehm erzählend in das Geschehen ein, bevor sie das Mikrofon an u.a. Erich Räuker als Pater Brown und Tobias Kluckert als Hercule Flambeau abgibt. Wie von Winterzeit gewohnt sind alle Rollen top besetzt, ebenso wie die Inszenierung und die Produktion (inkl. des eigens komponierten Soundtracks) keine Wünsche offen lassen.
Als Bonus wurde der Erstauflage der CD (2000 Stück) ein kleines Bonbon für die Sherlock Holmes-Fans mit aufgepresst, nämlich die kurze Episode DAS INDISCHE KRAUT (nach einer Kurzgeschichte von Klaus-Peter Walter), die hier exklusiv erscheint und die außerdem als Werbung für die Winterzeit-Produktion SHERLOCK HOLMES CHRONICLES gesehen werden kann. Schade nur, dass Sherlock Holmes selbst hier nicht, wie in der Serie, von Till Hagen gesprochen wird. Kennern der Serie wird das unangenehm aufstoßen.
FAZIT
Toller „kleiner“ Understatement-Krimi mit Nostalgiecharakter und Augenzwinkern. Eine Top-Produktion jenseits aller Länger-Schneller-Lauter-Attitüden, die Lust macht auf die weiteren Folgen.