Gabriel Heim

 3,9 Sterne bei 16 Bewertungen

Lebenslauf

Geboren 1950 in Zürich, Studium an der Münchner Filmhochschule, Autor, Regisseur und Produzent von Dokumentarfilmen, Reportagen und preisgekrönten Programmen für die ARD und das Schweizer Fernsehen. Programmleiter beim WDR-Fernsehen, dann Fernsehdirektor des neu gegründeten Rundfunks Berlin Brandenburg. Bei Lübbe erschienen: „Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus. Eine Mutterliebe in Briefen“ (2013)

Quelle: Verlag / vlb

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Neue Rezensionen zu Gabriel Heim

Cover des Buches Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus (ISBN: 9783869950549)
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Rezension zu "Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus" von Gabriel Heim

Zu spät, es war alles zu spät
Judithavor einem Jahr

Gabriel Heim ist der Sohn der jüdischen Ilse Winter, ehemals Schauspielerin in Berlin, und von Felix Gasbarra, einem umtriebigen Möchtegern-Kommunisten und Bonvivant. Er wächst ohne den Vater auf, bei seiner Mutter in der Schweiz. Und er findet jede Menge versteckter Erinnerungen nach dem Tod seiner Mutter. Schuhkartons voller Briefe, Karten, Dokumente. Aus diesem Konvolut und aus den Nachforschungen, die er in verschiedensten Archiven durchführt, entsteht dieses Buch.

Marie, die Großmutter, steht im Mittelpunkt der Geschichte. Sie lebt in Berlin und erlebt ab 1933 die schrittweise vollkommene Entrechtung der jüdischen Bevölkerung. Sie ist Witwe, aus heutiger Sicht einigermaßen wohlhabend, und lebt in der Landhausstraße 8. Ihre Tochter Ilse ist ein "Irrwisch" und macht nie, was die Mutter ihr rät und empfiehlt. Als die Nazis an die Macht gelangen, flieht sie aus Berlin und es beginnt eine endlose Emigration, die sie irgendwann in die Schweiz führt. Ilse hat die Beziehung zu ihrer Mutter auf Eis gelegt, selbst bei einem Kurzbesuch in Berlin, der damals noch möglich war, besucht sie die Mutter nicht. Als sie sich in Basel als Studentin etabliert, beginnt ein sehr reger Briefverkehr zwischen ihr und der Mutter, der hier im Buch sehr ausführlich wiedergegeben wird. Anfangs ist Marie noch hoffnungsvoll, schickt viele gute Ratschläge und berichtet vom Alltag. Aber fast jeder Brief bringt auch Informationen über die Verschärfung der "Juden-Gesetze" aller Art mit sich. Noch vor Ausbruch des Krieges begibt sich Marie auf eine Besuchsreise nach Basel, ist einige Zeit bei ihrer Tochter und macht mit ihr regelrecht Urlaub. Kein Gedanke, dass sie bleiben möchte, sie will nach Hause, dort ist alles, was sie besitzt, das will sie nicht einfach verlassen. Liest man mit dem Wissen von heute, dass Marie freiwillig in die Höhle des Löwen zurückgeht, kann man nur verzweifeln an der Naivität, von Ilse wie auch von Marie. Denn die Chance kommt nie wieder, regulär das Deutsche Reich zu verlassen, die Briefe von Marie werden von Tag zu Tag verzweifelter, aber Ilse macht sich fein, geht auf Empfänge, hat Affären, täuscht eine geplante Promotion vor, um in der Schweiz bleiben zu können. In Berlin ist Marie dem Verzweifeln und einem Selbstmord nahe, in der Schweiz macht sich Ilse ein schönes Leben. 

Achtung, Spoiler! [Marie wird einen letzten Versuch wagen, Deutschland zu verlassen, aber das gelingt nicht Am Ende wird sie sterben und Ilse wird alle Erinnerungen auf dem Dachboden dem Erinnern entziehen. Die von Marie per Lagerung in Freiburg geretteten Haushaltsgegenstände machen Ilse nach dem Krieg die neue Wohnung in Zürich wohnlich, da hatte sie wohl keine Skrupel wegen der lästigen Erinnerungen, die mit den Stücken verbunden waren. Gabriel Heim jedenfalls wächst zwischen diesem Großmutterinvertar behütet auf.]

Gabriel Heim beschreibt zwischen den Briefen von Marie und anderen Dokumenten das Leben seiner Mutter, die es schafft. sich acht lange Jahre in der Schweiz durchzuschlagen und durchzuschlängeln, Besondere Sympathien für sie konnte ich dabei nicht entwickeln. Dass auch Marie so manche Allüren hatte, die Ilse und so auch dem Leser des Buches vielleicht missfallen, das gehört zu dieser Geschichte dazu.

Was mich an diesem Buch sehr geärgert hat, ist die Schriftgröße, schon die Grundschrift ist nur schwer lesbar, bei den kursiv gesetzten Briefen und den noch kleiner gesetzten Zitaten aus Dokumenten habe ich mehrmals aufgegeben und das Buch zurück ins Regal gestellt. Aber innerhalb eines halben Jahres habe ich es dann doch ausgelesen, der Verlauf dieser Geschichte war zu fesselnd. 

Ich hatte nämlich im Vorfeld bereits das 2023 erschienene Buch "Wer sind Sie denn wirklich, Herr Gasbarra?" von Gabriel Heim über seinen Vater gelesen, das mich sehr bewegt hatte, dadurch wurde ich auf dieses schon 10 Jahre vorher entstandene Buch aufmerksam.

Fazit: Erschütterndes Schicksal einer deutschen jüdischen Mutter, die bis zuletzt die Hoffnung nicht aufgibt. Das Lebensbild ihrer Tochter ist interessant, aber zwiespältig. Wer geduldig ist und gute Augen hat, für den ist das eine Leseempfehlung.

Cover des Buches Wer sind Sie denn wirklich, Herr Gasbarra? (ISBN: 9788872838730)
S

Rezension zu "Wer sind Sie denn wirklich, Herr Gasbarra?" von Gabriel Heim

Wer war mein Vater? Eine Spurensuche, die ein interessantes Stück Zeitgeschichte widerspiegelt
SofieWaldenvor einem Jahr

Aufgewachsen ohne seinen Vater und erst spät durch die Nennung seines Names durch die Mutter überhaupt existent, macht sich der Autor dieses Buches auf die Suche. Wer war dieser Felix Gasbarra? Enorm vieles. Zum Beispiel eine durchaus mehr wie lokale Größe im Kulturbetrieb Berlins in den 1920er und -30er Jahren, in der der damals als Kommunist sehr umtriebige Mann zusammen mit Erwin Piscator Theaterstücke über das Leben der Arbeiterschaft aufführte. Hier hatte er seine öffentlichste Zeit, mit Kontakten zu bekannten Persönlichkeiten wie Bertolt Brecht, Käthe Kollwitz und Wassily Kandinsky. Und an seiner Seite, die Malerin Doris Homann, die dann auch seine Ehefrau wurde. Ihre Aufzeichnungen sind die Hauptquelle für die irgendwie doch eher spärlichen Informationen über den wahren Gasbarra, den Mann hinter der Fassade, wenn es denn eine wahr, den Menschen, der eine Familie wollte und sie eigentlich 'nie wirklich gelebt' hat. Er hatte mit seiner Frau zwei eheliche Kinder, neben dem Sohn, dem Autor dieser Geschichte, zu dem er nie Kontakt aufgenommen hat, es auch nicht wollte. Gasbarra war auf jeden Fall ein Angepasster, vom Kommunist bis hin zum Faschismus unter Mussolini, zumal an sehr effizienter Stelle, wandelbar eben und man muss ja auch leben. Und er hatte es gut bei den Frauen. Seine Ehefrau war der starke Rückhalt an seiner Seite und sie hat sich entschieden, es hinzunehmen, womit er sich das Leben 'freier' gestaltet hat. Es war ja auch einfach.

Aber eigentlich ist in diesem Buch Gasbarra nur das Leitmotiv, für ein gut eingebrachtes, interessantes Stück Zeitgeschichte, von einer intensiv beleuchteten Zeit während der Weimarer Republik, über die NS-Diktatur bis zu Italiens Mussolini. Dazu kommen Reisen, zu Orten, in Länder, die für den Vater oder andere Familienmitglieder Bedeutung hatten, gar zur Heimat wurden und auch dies führt zu sehr eigenen gut reflektierten Teilstücken dieser Auseinandersetzung, für den Autor letztendlich auch mit sich selbst.

Ein auch in der Sprache und den gewählten wiederkehrenden Zeitsprüngen eher ungewöhnliches Buch, in das man sich als Leser erst hineinfinden muss. Aber es lohnt sich, sich mit auf diese Reise zu begeben.

Empfehlenswert

Cover des Buches Wer sind Sie denn wirklich, Herr Gasbarra? (ISBN: 9788872838730)
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Rezension zu "Wer sind Sie denn wirklich, Herr Gasbarra?" von Gabriel Heim

Die Spurensuche um Herrn Gasbarras Leben
akashacookievor einem Jahr

Das Buch "Wer sind Sie denn wirklich, Herr Gasbarra?" ist eine tiefgehende Spurensuche nach Felix Gasbarra, die zugleich die Lebensgeschichten anderer Menschen beleuchtet. Es präsentiert ein vielschichtiges Panorama, in dem verschiedene Personen eine Rolle spielen und ihre Leben miteinander verwoben sind. Während die Suche nach Gasbarras Vater den roten Faden bildet, eröffnet das Buch auch Einblicke in das Leben anderer, was für eine facettenreiche Lektüre sorgt.

Der Schreibstil und die Struktur des Buches erwiesen sich für mich als herausfordernd. Die Zeitsprünge und die verschlungenen Zeiten von Gasbarras Lebensgeschichte machten das Lesen anspruchsvoll. Obwohl das Buch die Suche nach seinem Vater verfolgt, fühlte es sich für mich als Leser manchmal distanziert an. Dennoch zeigt es aus anderer Sicht wie gut recherchiert alles ist.

Besonders faszinierend waren für mich die Frauen, die Gasbarra getroffen hat und deren Lebensgeschichten im Buch beleuchtet werden. Ihre Bewältigung von Herausforderungen und die Art und Weise, wie sie mit ihrem Leben umgingen, beeindruckte mich. Die wiederholte Erwähnung historischer Ereignisse half mir, mir das Leben der dargestellten Menschen lebhaft vorzustellen.

Ich empfehle das Buch allen, die an gut recherchierten zeitgeschichtlichen Darstellungen interessiert sind. Es verwebt geschickt historische Ereignisse, die das Leben der porträtierten Personen prägten.

Gespräche aus der Community

Felix Gasbarra (1895–1985) war Autor, Kommunist, Faschist, Lebemann, arbeitete mit Bert Brecht und schrieb Reden für Mussolini. Sein unehelicher Sohn Gabriel Heim hat die Geschichte seines zeitlebens fremden Vaters in seinem neuen Buch „Wer sind Sie denn wirklich, Herr Gasbarra? Eine Vatersuche auf zwei Kontinenten“ aufgearbeitet.

Wir laden euch herzlich zum Gewinnspiel mit Leserunde ein!

107 BeiträgeVerlosung beendet
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Letzter Beitrag von  akashacookievor einem Jahr

Wie in meiner Rezi schon beschrieben, gehörte sie zu einer beeindruckenden Frau. Wie sie die historischen Ereignisse stämmte und sich entwickelte las ich sehr gerne. Ich hatte auch das Gefühl ihr sehr nahe zu sein, da mich ihre Geschichte, ihr Leben mitnahm.

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von 1 Leser*innen aktuell gelesen

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