Cover des Buches Die Liebenden von der Île de Ré (ISBN: 9783746631714)
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Rezension zu Die Liebenden von der Île de Ré von Gabriele Jaric

Familienzusammenführung im Atlantik

von Ulenflucht vor 9 Jahren

Rezension

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Ulenfluchtvor 9 Jahren
Ein hübsches Buch ist es, dieses "Die Liebenden von der Île de Ré" und gibt einem gleich das Gefühl, man packe 384 Seiten Urlaub in die Tasche auf dem Weg zur Arbeit. Und während der Bahnfahrt nähert man sich dem Ziel tatsächlich gemächlich - den Charakteren, dem Ort und der Geschichte.

Es geht in diesem Buch um einen Neuanfang nach einer enttäuschten Liebe. Es ist Frühling und ganz langsam beginnt auch der Roman zu blühen. Es ist eine Geschichte der Heilung: Die Protagonistin Charlotte macht sich auf den Weg von den Staaten zurück nach Deutschland zu ihren Großeltern und dann nach Frankreich, auf die wetterumbrauste und gut getroffene Île de Ré, wo sie nicht nur ihren Onkel wiedersieht, bei dem sie aufwuchs, sondern auch ihre Freunde und Rafi, ihre erste Liebe. Dass die zwei nicht erst am Ende zusammenfinden, ist leider vorhersehbar.

Doch es ist gerade nicht die Liebesgeschichte, die hier heraussticht und es ist auch nicht diese Geschichte, die im Mittelpunkt des Romans steht. Die menschlichen Beziehungen und Personenkonstellationen, der Umgang miteinander und was sie prägt stehen hier im Vordergrund und glänzen durch eine Tiefe, die man in einem Roman dieses Genres eigentlich nicht sofort erwarten dürfte. Das senkt das Lesetempo; der Fokus auf die Charaktere geht zu Lasten der Geschichte und der Spannung. Dafür trifft man aber auf interessante Verhältnisse: Da wären zum Beispiel die unerfüllte und unerwiderte Liebe zwischen Charlottes Onkel Jo und ihrer Freundin Lana oder die Freundschafts- und Trennungsgeschichte ihrer beiden Großelternpaare, die sich erst nach und nach entfaltet, nicht aber bevor das große Familiengeheimnis um einen tragischen Autounfall geklärt ist. Der heimliche Star ist das Kind Julie, die Tochter von Charlottes Ex-Freund in den USA. Sie ist mit viel Liebe zum Detail dargestellt und bereichert das Buch ohne dass sie auch nur ansatzweise eine Funktion für die Geschichte hätte. Es sind neben der Landschaft also vor allem die Personen, die das Buch für sich einnehmen.

Leider birgt es auch ein paar Schwächen. Ausgerechnet die Protagonistin Charlotte wirkt nicht rund, mancher Dialog verliert sich in Einzelheiten und die Handlung, die die Personengeschichte umrahmt, ist schwach: Charlottes Hotelbau ist für einen Rahmen nicht geeignet und dass Charlotte mit Rafis Hilfe anhand von Gemälden ihrer Mutter dem Familiengeheimnis auf die Spur kommt wie auf dem Klappentext angegeben, stimmt auch nicht.

Insgesamt ist "Die Liebenden von der Île de Ré" aber ein gelungenes Debüt, das die Schächen durch die Stärken wettmacht und prädestiniert für eine Fortsetzung. Für weitere schöne Lesestunden, aber bitte diesmal mit einer Insel im Sommer. Und mit einem passenderen Titel.
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