Rezension zu "Die Toten vom Phoenix-See" von Gabriella Wollenhaupt
Die junge Mutter Marie ist mit ihrer Tochter Olga auf der Flucht. Hals über Kopf hat sie ihren Wohnort mit der Kleinen verlassen, da der Kindsvater, ein katholischer Priester, sie bedrängt hat.
Marie strandet in Dortmund, wo nach dem Abriss des alten Stahlwerks der künstliche Phönix-See entstehen soll. Dort findet sie eine Stelle als Tänzerin in einer Ur-Ruhrpott-Kneipe, genannt „Grotte“, die ein grosser, bulliger Typ betreibt, der aber zu Marie wirklich lieb und auch hilfsbereit ist.
Marie wird also Tänzerin und bekommt den Wohnwagen ihrer Vorgängerin zugewiesen, die plötzlich spurlos verschwunden war. Zunächst scheint alles in Ordnung zu sein und Marie lebt sich ganz gut ein. Die kleine Olga auch, die von ihrer Mutter gut trainiert wird, Abstand zu halten und im Fall der Fälle sofort ihr Versteck im Wohnwagen aufzusuchen. Ebenso schließen die beiden Freundschaft zu einer Frau in den 50ern, die in der Nähe lebt.
Doch dann geschieht das Unfassbare: Marie wird getötet, und das auf grausamste Art und Weise …
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Dann macht die Geschichte einen Sprung: Der Phönix-See ist längst fertig, ringsherum besiedelt und die kleine Olga ist inzwischen 25 Jahre alt. Sie gibt es selbst nach dieser langen Zeit nicht auf, den Mörder ihrer Mutter zu finden.
Mir hat der Roman wieder wirklich gut gefallen, als eingefleischter Wollenhaupt-Fan warte ich ja immer sehnsüchtig auf ein neues Werk von ihr. Ich liebe ihre „Schreibe“ sehr und ihre Charakterzeichnungen machen immer großen Spaß. Auch sind die Fälle immer aktuell, frech, bissig und in ihrem typischen Schreibstil verfasst.
Leider ist diese Geschichte sehr kurz, die Handlung nicht etwas in die Länge gezogen, sondern einfach erzählt und aus. Die Seiten sind überhaupt nicht gefüllt, die Ränder sind sehr breit und die Kapitelüberschriften stehen auch immer recht weit unten. Wären die Seiten dichter gesetzt, wäre der Roman wohl keine 200 Seiten stark.
Ich finde das absolut schade, denn sowohl das Thema Katholische Kirche und der Missbrauch darin als auch der Hintergrund der Geschichte um den Phönix-See in Dortmund-Hörde sind hochinteressant und sehr spannend. Ein kleines Beispiel bezüglich der Kürze: Die erwachsene Olga lernt den Oberstaatsanwalt kennen und man liest dabei überhaupt kein längeres Kennenlernen. Schon nach der ersten Zeugenvernehmung sind sie gefühlt beim „Du“ angelangt und gehen miteinander aus. Das fand ich eher unwahrscheinlich. Als der Oberstaatsanwalt dann Olga in einer anderen Szene in ein Auto legt, deckt er sie einfach nur zu und Ende. Kein Trost, kein wirkliches Gespräch.
Dann wiederum wird Brummer auf Seite 146 sehr philosophisch. Das war eine richtig schöne Stelle, die den Ruhrpott-Brummbär sehr sympathisch machte. Mehr davon. Der Zeitungsartikel auf Seite 156 lässt die alte „Grappa“ durchblicken und ebenso ein kurzes Begrüßen in der „Grotte“, die lautet: „Wie isses?“ Antwort: „Muss.“ Auch hier lassen Grappa und Frau Schmitz grüßen. Ein kleiner Insider, der mein Fan-Herz gleich höher schlagen ließ.
Das Ende liefert eine gute, jedoch absehbare Wendung. Ich hatte als Leser aber Verständnis dafür und empfand eine gewisse Traurigkeit dabei.
Mein Fazit: Ein spannender, guter Krimi mit zwei starken Themen und tollen Charakteren, den ich mir jedoch ein bisschen ausführlicher und länger gewünscht hätte. Die „Grappas“ waren ja auch schon nicht besonders lang, aber der vorliegende Krimi ist leider noch schneller vorbei.
© Marion Brunner für Buchwelten