Der Mensch – ein Nomade, war in großen Teilen der Welt schon immer so, doch die klimabedingte Migration nimmt zu. Die Ursachen scheinen klar, doch „Gegenmaßnahmen“ sind Fehlanzeige.
Ist es so einfach oder doch komplexer? Müssen sich Milliarden Menschen auf den Weg nach Norden begeben, weil ihr bisheriger Lebensraum unbewohnbar wird? Und wenn ja, wie können Menschen und Regierungen im Norden des Planeten damit umgehen? Diesen und ähnlichen Fragen geht Gaia Vince in „Das nomadische Jahrhundert“ nach. Hierzu nähert sich Vince über die Auswirkungen des Klimawandels (Brände, Hitze, Trockenheit, Überschwemmungen), die Idee bzw. Notwendigkeit, seine Heimat zu verlassen, die Frage nach Nationalitäten bzw. Grenzen, Ernährungs- und Lebensumstellungen usw. an. Das Buch endet mit einem Manifest sowie einem Stichwortverzeichnis und Anmerkungen. Damit bekommt es einen leicht wissenschaftlichen Anstrich, ist aber durchaus für Laien gedacht.
Und genau auf die zielt die Journalistin Vince wohl auch, denn ihr Buch provoziert, sie will aufrütteln – das schreibt sie in der Einleitung auch so (man möge nicht gleich ‚auf Widerstand schalten‘). Diese „Warnung“ fügt sie ihrem Text nicht von ungefähr hinzu, denn er liest sich schon recht dystopisch (wenngleich nicht vollends unrealistisch …), frei nach dem Motto: Wenn du das Schlimmste erwartest, kannst du nur (positiv) überrascht werden – vielleicht auch, weil die „moderaten Warnungen“, dass 2 Grad mehr den Planeten und das Leben darauf wenig erfreulich gestalten ja bislang weitgehend ungehört zu verhallen scheinen oder bestenfalls in Lippenbekenntnissen münden (Ja, ist schlimm, aber man ja nix tun). Da sie aber auch Vorschläge für Lösungen unterbreiten will, tut sie auch das. Dabei wird sie dann eher utopisch – Weltbürgerschaft und das beim Erstarken populistisch-nationaler Tendenzen, die sie aber ignoriert –, hat aber vermutlich auch damit nicht ganz Unrecht … Leider bleibt dabei doch vieles unbedacht, weshalb ich fürchte, dass der „Umsetzungsfaktor“ ihrer Ideen nicht besonders hoch sein dürfte. Dennoch: Als Denkanregung mit mal dystopischen, mal utopischen Zügen durchaus lesenswert. Deshalb werden die 3,5 Sterne auch gerade noch aufgerundet.