Den Rahmen der Erzählung bildet die Zeit des British Empire, eine Zeit voller bahnbrechender Erfindungen, politischer Veränderungen und wirtschaftlicher Neuerungen. Alles scheint neu und schnell zu sein, ein Umbruch jagt den nächsten. In einer solch atemlosen Zeit muss Lucy ihr vielleicht nicht abenteuerliches, aber ereignisreiches Leben bestreiten – inklusive der Probleme als Mutter eines unehelichen Kindes und Frau in der Arbeitswelt.
Der Roman lebt von den Beobachtungen und den kleinen Details. Lucy als Fotografin und Erzählerin lässt die Leser teilhaben an ihren Beobachtungen, beschreibt sie wie Fotografien, so dass sie immer wieder wunderschöne Bilder erzeugt. Manchmal sind es Momentaufnahmen, manchmal festgehaltene Erinnerungen, die sich einprägen. Diese „sechzig Lichter“ – in 60 Kapiteln – geben dem Roman seinen passenden Namen.
Und auch sprachlich kann Gail Jones’ zweites Werk absolut überzeugen. Ihr Stil ist sehr poetisch und bildhaft und regt zum Träumen und Nachdenken an. Dabei hat sie mit Lucy die perfekte Protagonistin, die all diese Beobachtungen einfängt und zu ganz besonderen Momenten macht.
Auch Lucys Nachname „Strange“ – zu Deutsch seltsam oder fremd – ist nicht zufällig ausgewählt und passt perfekt. Überall, wo sie ist, ob auf der Reise von Australien nach England, nach Indien oder wieder zurück, ist sie fremd und muss sich behaupten. Und auch für Lucy ist alles, was sie sieht und entdeckt, fremd und seltsam, sie will es begreifen und verstehen und sucht die besonderen Details.