Als eine Verlagsmitarbeiterin von Hoffmann & Campe auf der Frankfurter Buchmesse „High Notes“ für das Frühjahrsprogramm ankündigte, war ich Feuer und Flamme, zumal Gay Talese auch über Frank Sinatra und Charles Manson geschrieben hat. So fand dieses beeindruckende Buch den Weg zu mir. Obwohl Gay Talese als journalistische Institution bezeichnet wird, kannte ich seine Berichterstattungen bislang nicht. Gay Talese würde 1932 in Ocean City geboren und gehört zu den wichtigsten Vertretern des New Journalism. Er arbeitete in den frühen Sechzigern für die New York Times. „High Notes“ beinhaltet eine Ansammlung interessanter Reportagen von Gay Talese, die zum Teil erstmals in deutscher Sprache erschienen sind. Bereits nach wenigen Seiten bemerkte ich Taleses ausgefeilte Schreibtechnik und seinen Perfektionismus bei der Abarbeitung der Themen. Man spürt das Herzblut, welches in jeder einzelnen Reportage steckt. Taleses Abhandlungen sind literarische Texte, die mit interessanten bildhaften Beschreibungen gespickt sind und spannend, bisweilen amüsant erzählt werden. Er hat diesen gewissen Charme, mit welchem er selbst kritische Anmerkungen stilvoll verpacken kann. Besonders beeindruckt hat mich der Bericht über das Verschwinden des Mafioso Joe Bonnano. Er ist sehr lebendig geschrieben und vermittelt dem Leser tiefe Einblicke in die Gangsterwelt. Den Titel von Taleses wohl berühmtester Reportage „Frank Sinatra ist erkältet“ fand ich einzigartig. Die Story wirkt ziemlich abgefahren und ich bekam ein völlig neues Bild von Frank Sinatra. Noch interessanter waren für mich Taleses anschließende Erläuterungen zur Arbeit an diesem Bericht. Viele Wochen heftete er sich an die Fersen des großen Künstlers ohne ihn je vor‘s Mikrofon zu bekommen. Das Ganze hat sehr viel Zeit und Geld gekostet, bestens investiert , wie ich meine. Beim Lesen gewinnt man den Eindruck, auch hier wäre der Autor ganz dicht am Geschehen gewesen. Erstklassig geschrieben! Wie der Autor berichtet, wurde damals anders journalistisch gearbeitet, als es heutzutage der Fall ist. Nicht schnell-schnell, sondern akribisch-präzise. Für mich war das Buch ein unerwartet unterhaltsamer Exkurs in die Welt des großen Journalismus. Wer sich mit Texten und deren Wirkung beschäftigt, sollte hier zugreifen. Ein Schatz in meinem Buchregal!
Gay Talese
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Gay Talese
Frank Sinatra ist erkältet
Ehre deinen Vater
Du sollst begehren
Der Voyeur
High Notes
High Notes
A Writer's Life
Frank Sinatra Has a Cold
Neue Rezensionen zu Gay Talese
Rezension zu "Der Voyeur" von Gay Talese
Im dokumentarischen Stil angelegte Fall-Beschreibung
Der Dachboden ist mit dicken Teppichen ausgelegt. Die Tür zum Dachboden fest verschlossen, nur der Besitzer des Hotels du seine Frau (aber keinesfalls der Rest seiner Familienangehörigen) hat einen Schlüssel zu dieser Tür.
Der Teppichboden dient, man ahnt es beim Thema bereits, der Schalldämpfung. Denn über so gut wie jedem Zimmer des Manor-House-Motels hat Gerald Foss Gucklöscher in der Decke anbringen lassen, die vom Zimmer aus, mit Aluminium verkleidet, wie Lüftungsschächte wirken.
Und welcher Gast, vor allem natürlich, was Paare in jedweder Konstellation angeht, würde schon ahnen, dass er durch einen Einwegspiegel genaustens und ausführlich in seinen intimsten Verrichtungen (was natürlich, denn Gerald Foss ist bekennender Voyeur) vor allem im Bett beim Sex betrachtet und „kartographiert“ wird.
Wobei im Buch dies alles im Stil einer Reportage und Dokumentation Schritt für Schritt von der Neigung zum Plan zur Ausführung dem Leser zu Gemüte geführt wird.
Was einerseits durchaus nicht uninteressante Einblicke in das Sexualleben des Menschen in vielfachen Facetten (etwas trocken im Ton leider) ergibt, was andererseits, gerade durch den Stil, sich doch ein wenig durch die 220 Seite des Buches zäh hinzieht. Trotz vielfacher explizier sexueller Darstellungen, die aber mehr und mehr gerade durch die Vielzahl an Spannung verlieren.
Hat man erst einmal das Erschrecken über diese unglaubliche Dreistigkeit verdaut, macht man sich klar, wie sehr man selbst unbedarft durch das Leben geht und vielfachen digitalen Diensten vielleicht ebenso intime Einblicke (wenn auch nicht direkt im Bett wohl) gibt, dann lässt die Spannung bei der Lektüre doch Seite für Seite mehr nach.
Ausführliche Aufzeichungen hat Foss über seine Beobachtungen festgehalten, die ebenso Teil des Buches sind, wie die (leider weitgehend rein äußerlich gehaltene) Geschichte dieses „Voyeurs der Voyeure“.
Was ein stückweit bei der Lektüre fehlt (auch wenn hier und da Ansätze zu erkennen sind), ist ein tieferes Eindringen in die „innere Welt“. Der Bobachtung an sich. Der Gründe für diese „Neigung“, der persönlichen, inneren, psychischen Geschichte des Mannes auf der „sehenden“ Seite der „Gucklöcher“. Wobei andererseits die Entwicklung hin zum „perfekten Voyeur“ durchaus reizvoll zu lesen ist und omnipotente Haltungen wie eines „verborgenen Gottes“ durchaus konstatiert werden können.
Alles in allem eine Lektüre, die einen gemischten Eindruck von Stärken und Schwächen hinterlässt, aber das gewählte Thema sachgerecht und umfangreich behandelt.
"Der Voyeur" ist ein Sachbuch, ein Tatsachenbericht, über den Voyeur Gerald Foos. Dieser wendet sich an den Journalisten Gay Talese und erzählt ihm, dass er seit Jahrzehnten die Gäste seines eigens für voyeuristische Zwecke gekauften Motels, beobachtet. Beim Lesen des Klappentextes lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Unzählige Opfer wurden bei Gesprächen belauscht, beim Sex und beim Toilettengang beobachtet. Entdeckt wurde der Voyeur nie.
Die New York Times beschreibt das Buch mit den Worten »"Ein außergewöhnliches, melancholisches, moralisch komplexes, oft beängstigendes und manchmal sehr komisches Buch, das einen vollkommen in seinen Bann zieht." Leider weiß ich beim besten Willen nicht, wie ich "moralisch komplex" deuten soll. Die Taten des Voyeurs sind eindeutig illegal und moralisch nicht vertretbar. Doch auch in anderen Punkten kann ich der Times leider nicht zustimmen. Das Buch ist in seiner Geschichte zwar außergewöhnlich, doch Melancholie konnte ich in der Sachlichkeit der Erzählweise (sowohl des Autors als auch des Voyeurs) nicht entdecken. Auch in den Bann ziehen konnte mich dieses Buch leider weniger, denn umso mehr ich las, desto stärker ließ das Interesse nach. Zu Beginn erfährt der Leser viel über das Leben des Voyeurs. Später wiederholt sich vieles. Klar, der Sex wird anders, ebenso die Gespräche der Gäste. Aber im Grunde genommen wird eben immer wieder geschildert, wie ein Mann seine Motelgäste bespannt. Welche Stellen die Times mit "manchmal sehr komisch" beschreibt, weiß ich genau. Doch ich konnte diese Stellen nicht als komisch empfinden. Einiges ekelte mich an (dabei nicht nur der Voyeur, sondern auch dessen Gäste), bei anderen Stellen fühlte ich mich aufgrund der Verletzung der Privatsphäre unwohl. Denn nichts anderes ist dieses Buch: Das Beobachten von echten Menschen, die sich dessen nicht bewusst sind. Das Buch macht den Leser zum Voyeur und ich fühlte mich nicht wohl damit.
Der Schreibstil des Journalisten Gay Talese ist sehr sachlich und angenehm leicht zu lesen. Der Aufbau des Buches gefiel mir gut. Die Geschichte beginnt mit dem Brief, den Gerald Foos an Gay Talese schrieb. Später springt der Autor zwischen Gesprächen mit Foos, Aufzeichnungen des Voyeurs und eigenen Gedanken hin und her. Dies sorgt für Abwechslung.
Auch die Bilder des Voyeurs, seines Motels, den Zimmern des Motels, seinen Ehefrauen, etc. empfand ich sehr interessant. Gesammelt sind die Bilder in der Mitte des Buches.
Fazit: Leider konnte mich das Buch nicht überzeugen, was sicherlich damit zu tun hat, dass ich mich mit der Thematik nicht wohlfühlte. Ich hatte das Gefühl, als würde ich beim Lesen selbst in das Privatleben der beobachteten Menschen eindringen, was ich in gewisser Art und Weise auch tat. Die Beobachtungen des Voyeurs wiederholen sich häufig und die Veränderung des Sexlebens über die Jahrzehnte, überraschte mich nicht wirklich. Leider verlor das Buch für mich immer weiter an Spannung.
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