After Such Kindness
von Saralonde
Kurzmeinung: After Such Kindness
Rezension
Oxford im 19. Jahrhundert: Der Mathematikprofessor und Junggeselle John Jameson lernt bei einem Besuch eines Freundes dessen 11-jährige Tochter Daisy kennen. Schnell wird sie seine Muse – er bewundert kleine Mädchen, fotografiert sie und unterhält sie mit sprachlich kuriosen Geschichten und Witzen. Obwohl Jameson für Daisy zu einem wichtigen Freund wird, kommt es später zum Bruch zwischen ihm und der Familie. Was ist geschehen?
Wer sich schon einmal ein wenig Lewis Carroll befasst hat, erkennt hinter dieser kurzen Inhaltsbeschreibung gleich den berühmten Autor und seine umstrittene Beziehung zu seiner kleinen Muse Alice, für die er die wunderbaren Geschichten “Alice im Wunderland” und “Alice hinter den Spiegeln” verfasste. War Carrolls Zuneigung zu jungen Mädchen ohne Fehl und Tadel oder grenzt sie an Pädophilie? Gaynor Arnolds Buch stellt jedoch keinen Deutungs- oder Klärungsversuch dar, sondern ist tatsächlich eine reine Fiktionalisierung: Sie denkt sich eine Geschichte um die historischen Vorbilder aus, die keineswegs andeuten will, dass es so hätte sein können. Es ist schwierig, ihre Geschichte zu beschreiben, ohne zu viel zu verraten. So viel sei jedoch gesagt: Fans von Lewis Carroll brauchen das Buch nicht zu scheuen. Den Teil des Buchs, in dem es direkt um John Jameson geht, habe ich eher als kleine Hommage an den sprachlich genialen Autor empfunden, er macht Lust, die historischen “Briefe an kleine Mädchen” zu lesen – das Buch befindet sich jetzt auf meiner Wunschliste.
Gaynor Arnolds Fiktionalisierung ist eine psychologisch interessante Geschichte um Trauma und Verdrängung zu einer Zeit, in der das Thema Kindesmissbrauch unaussprechlich, ja undenkbar war und die Psychologie und Psychiatrie noch in den Kinderschuhen steckten.
Lesenswert!