Cover des Buches Unter Feinden (ISBN: 9783492053839)
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Rezension zu Unter Feinden von Georg M. Oswald

Rezension zu "Unter Feinden" von Georg M. Oswald

von hundertwasser vor 12 Jahren

Rezension

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hundertwasservor 12 Jahren
Die Messlatte liegt ja mit dem Zitat von Feridun Zaimoglu, Georg M. Oswald schreibe auf Augenhöhe mit Hakan Nesser und Richard Price, ja schon einmal sehr hoch. Doch das Verblüffendste an "Unter Feinden" ist, dass der Münchner Rechtsanwalt mit seinem Thriller-Erstling diese Latte keineswegs reißt! Im Mittelpunkt seiner 240-Seiten-starken Erzählung steht das ungleiche Polizistenduo Martin Dillinger und Erich Kessel. Beide kennen sich schon ewig und sind seit Jugendjahren eng befreundet. Kessel ist ein Junkie der allerschlimmsten Sorte, der sich schon so ziemlich alles zugeführt hat, was man auf der Straße kaufen kann, doch nun soll damit Schluss sein. Gemeinsam mit Dillinger observiert Kessel das erste Mal nach einer Entzugstherapie im Münchner Westend nachts eine Wohnung, als die Aktion fürchterlich schief läuft. Während eines unbeobachteten Moments versucht Kessel von Migranten-Dealern Stoff zu kaufen, doch als sein Partner dazustößt eskaliert die Situation und Kessel überfährt einen der Dealer. Martin Dillinger will die Aktion vertuschen, doch da hat das nächtliche Geschehen schon überwältigende Ausmaße angenommen. Infolge der Fahrerflucht von Kessel und Dillinger hat sich im Westend ein Aufstand ausgelöst, bei dem der Frust der im Westend beheimateten Migranten ein Ventil findet. Viele Polizisten werden verletzt und eine Polizeistation wird angezündet und nun lässt sich auch der Mordversuch an dem Dealer nicht mehr unter den Teppich kehren. Staatsanwaltschaft, Polizei und der Mob wollen einen Schuldigen präsentiert sehen, doch Martin Dillinger entschließt sich, aufgrund seiner Loyalität zu Kessel diesen zu schützen und das Ganze zu vertuschen. In der Folge beobachtet der Leser, wie ein reißender Strudel aus den nächtlichen Geschehnissen im Westend entsteht und wie sich die beiden Polizisten immer tiefer in ihrem eigenen Lügendickicht verheddern. Während Dillinger vor Kollegen und Staatsanwaltschaft sich und seinen Partner zu schützen versucht, verfällt Kessel immer tiefer in seine Drogensucht und wird von den Drogendealern erpresst. Ähnlich wie in der großartigen Serie "The Wire" liefert Georg M. Oswald hier eine hardboiled Version von der Polizeiarbeit und von München an sich, in der die Cops mitnichten besser sind als die Kriminellen, die sie bekämpfen. Fassungslos sieht man zu, wie Kessel sich immer weiter niederwirtschaftet und wie Dillinger mit allen schmutzigen Tricks versucht, die wahren Begebenheiten im Westend zu verschleiern. Georg M. Oswald zeigt das schonungslose Bild einer zutiefst verkommenen Stadt, in der schon bald der offene Krieg zwischen Polizei und Asylanten entbrennt, während im Hintergrund ein Anschlag auf die Sicherheitskonferenz dräut. An manchen Stellen verfremdet Oswald leicht die Begebenheiten, doch jeder Münchner wird in Sekundenschnelle den Wittelsbacher Hof, in dem die fiktive Sicherheitskonferenz stattfinden soll, als das erkannt haben, was er in Wirklichkeit ist. Auch manche anderen Lokalitäten wurden leicht verfremdet, doch für Menschen, die ein bisschen Bescheid wissen, sind die Anspielungen klar. Stets schwingt bei der Lektüre auch Skepsis mit: Kann es wirklich sein, dass im saturierten München so etwas passieren kann? Solche korrupten Bullen, solche Gewalt, solche Aufstände? Doch wer auch immer so etwas nicht für möglich hält, der sei nur an die Bilder der Krawalle in London im letzten Jahr erinnert. Somit bleibt "Unter Feinden" immer dicht dran an der Realität und zeigt so ein München, das kaum einer wahrhaben will. Ein sehr beachtliches Werk, dass trotz der Tatsache, dass es Georg M. Oswalds erster Thriller ist, vollauf überzeugt und in ambitionierter Weise mehr verspricht!
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