Manchmal läd die Lektüre eines aktuellen Buches dazu ein, ein älteres, das einem assoziativ dazu einfällt, aus dem Regal zu nehmen, um zu prüfen, ob der intuitive Gedanke richtig war oder vielleicht nur falscher Erinnerung geschuldet ist. Gelegentlich ist bei solcher Lektüre die Überraschung groß, fast übergroß, um dem Titel dieses Werks Reverenz zu zollen.
So war es bei diesem Drama, einem Fünfakter aus dem Jahr 1901, das beim Wiederlesen eine fast gespenstische Aktualität annimmt. Die Folgen des britischen Imperialismus sind ein Thema, der gerade in den Konflikten im Nahen Osten seine Langzeitwirkung zeigt, das Entstehen des Finanzkapitalismus und seiner von Beginn an absehbaren Folgen und eine Reihe weiterer Themen von den Frauenrechten bis zum Vegetarismus.
Das Drama liest sich leicht, denn es ist eine Kommödie mit ausführlichen Regieanweisungen und Darstellungen der jeweilichen Settings. Auch sprachlich wirkt es sehr modern, was vielleicht der Übersetzung von Annemarie und Heinrich Böll geschuldet ist. Das macht das Stück fast zu einem Schmöker mit Nachttischqualität.
Nicht ganz so leicht liest sich hingegen das Vorwort, ein langer Brief des Verfassers an Arthur Walkley, in dem Shaw sein Stück und dessen Intention erläutert, analysiert und sowohl geistesgeschichtlich als auch politisch einordnet. Das Vorwort zeichnet sich dadurch aus, dass es ganz unbefangen intellektuell ist, fast schon ein beispielhaftes Stück Literatur in sich selbst.
Es ist mutig, pazifistisch, antikapitalistisch, antiimperialistisch und die Unterdrückung der Arbeiter wie der Frauen klar herausstellend. Darin ist es fast vorbildhaft für ein progressives, dem Intellekt verpflichtetes Denken, das bis weit in das zwanzigste Jahrhundert hinein gewirkt hat, einschließlich der Achtundsechziger Revolte und ihrer Themen.
Man mag letztere heute für erledigt halten, aber nicht zuletzt das Vorwort zu Mensch und Übermensch kann zu dem Gedanken führen, dass die seinerzeit wichtigen Themen, also sowohl 1901 als auch 1968, bis heute weiterwirken und gerade im Augenblick dabei sind, eine bereits genannte gespentische Aktualität wiederzugewinnen. Es sage später keiner, er habe es nicht gewusst. Denn er hätte es wissen können, zum Beispiel durch die Lektüre dieses Buches.
Sehr zum Lesen oder Wiederlesen empfohlen!
Joachim Tiele - 11.02.2016
George Bernard Shaw
Lebenslauf
Alle Bücher von George Bernard Shaw
Pygmalion
Die heilige Johanna
Gesammelte Stücke in Einzelausgaben. 15 Bände
Gesammelte Stücke in Einzelausgaben. 15 Bände
Der Herzensbrecher
Drei Komödien ; Fischer Bücherei 849
Shaw für Boshafte
Neue Rezensionen zu George Bernard Shaw
Das Schauspiel handelt von einem Phonetikprofessor, der das Blumenmädchen Eliza aus der Gosse holt und zusammen mit einem Freund zu einer Dame macht.
Das Stück ist sehr amüsant geschrieben und ist eine super Lektüre für zwischendurch, habe es an zwei Tagen während der Zugfahrt durchgelesen. Auf jeden Fall empfehlenswert!!
Pygmalion
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Professor Henry Higgins ist ein sehr von sich eingenommener Sprachwissenschaftler. Obwohl er zu einer Koryphäe seines Faches aufgestiegen ist, schwächelt er in menschlichen Belangen. Privat ist er ein eiserner Junggeselle und hat auch fest vor, dies zu bleiben. Frauen hält er für im besten Fall uninteressante und im schlimmsten Fall für nervige Lebewesen.
Eines Abends geht er zu Feldforschungszwecken zum Covent Garden, um den dortigen Dialekt der einfachen Bevölkerung zu studieren. Das Theater entlässt gerade seine Besucher in die Nacht und zahlreiche Straßenhändler versuchen, ihnen noch einen letzten Kauf zu unterbreiten. Eine von ihnen ist die Blumenverkäuferin Eliza Dolittle, die genau das verkörpert was man "harte Schale weicher Kern" nennt. Auch Colonel Pickering, ein ebenfalls berühmter Linguist, verlässt gerade das Theater und zufällig treffen die Drei aufeinander. Die Begegnung endet schließlich in einer Wette zwischen den Männern, denn Higgins ist überzeugt, dass er Eliza die Sprache der „Upper Class“ beibringen kann und es so schafft, dass diese sie als Herzogin akzeptieren würde. Pickering hält dagegen und da Eliza sich die Chance auf ein besseres Leben nicht entgehen lassen möchte, lässt sie sich von dem Professor unterrichten.
Higgins sieht sie in der darauf folgenden Zeit als Studienobjekt mit dem er seine fachlichen Fähigkeiten und seine These unter Beweis stellen kann, während Eliza sich in ihn verliebt und nicht so dumm ist wie er es gerne hätte. Sie bemerkt sehr wohl, dass er sie herablassend behandelt und so erteilt sie ihm eine Lehre fürs Leben….
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Das Theaterstück wurde 1913 uraufgeführt und spielt auch zu jener Zeit. George Bernhard Shaw nahm die antike Sage des Bildhauers Pygmalion zum Vorbild, der seine Traumfrau aus Stein erschafft, sich in sie verliebt bis sie schließlich zum Leben erwacht.
Als das Theaterstück in London auf die Bühne kam, verursachte es ziemlich Furore, denn es enthält viele Schimpfwörter. Kaum nachvollziehbar, wenn man sich heute das Fernsehprogramm ansieht.
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Mir hat das Stück sehr gut gefallen und während man es liest, ist man sich stets bewußt, dass es fürs Theater verfaßt wurde. Man kann sich die Bühne und die Szenen richtig vorstellen. Der Schreibstil ist witzig, leicht, ironisch und spöttisch. Jeder kriegt sein Fett weg, allen voran der selbstgefällige Professor und die Snobs der „Besseren Gesellschaft“. Die Figuren schließt man schnell ins Herz. Selbst den rauhbeinigen Higgins, aber auch Elizas trunksüchtigen und verantwortungslosen Vater und allen voran die kratzbürstige Blumenverkäuferin selbst, die das Herz auf dem rechten Fleck und Haare auf den Zähnen hat. Ein Happy End gibt es natürlich auch. Mehr kann eigentlich nicht gesagt werden.
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Großartig ist das später entstandene Musical My Fair Lady, welches 1964 mit Rex Harrison und Audrey Hepburn verfilmt wurde. Beide stellen die Charaktere Higgins und Eliza kongenial dar. Die Musicalsongs wie "Es grünt so grün wenn Spaniens Blüten blühen" und "Ich hätt’ getanzt heut’ Nacht" sind nur zwei der unzähligen Melodien, die heute noch berühmt und beliebt sind.
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Sowohl das Theaterstück als auch das Musical sind demnach absolut zu empfehlen.
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George Bernard Shaw wurde am 25. Juli 1856 in Dublin (Irland) geboren.
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