Cover des Buches 1984 (ISBN: B007R2TFYG)
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Rezension zu 1984 von George Orwell

Orwells Vermächtnis: Bitte selbst denken!

von MarkusDittrich vor 10 Jahren

Kurzmeinung: Mein Lieblingsbuch.

Rezension

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MarkusDittrichvor 10 Jahren

Dieser Roman ist ohne Zweifel einer der wichtigsten Romane der Zwanzigsten Jahrhunderts. Orwells Zukunftsvision hat keinen Deut an Schrecken verloren, auch wenn das sogenannte „Orwell-Jahr“ inzwischen dreißig Jahre hinter uns liegt.

Die Geschichte spielt in einem totalitären Staat, in dem die Tyrannei so umfassend ist, dass nicht nur die Handlungen, sondern vor allem die Gedanken der Menschen 24 Stunden am Tag kontrolliert und – was noch wichtiger ist – massiv beeinflusst werden. Winston Smith, ein unscheinbarer Typ, der als kleiner Beamter in einem Büro arbeitet, begeht das einzige, das unverzeihliche „Verbrechen“, eigene Gedanken zu denken. Indem er ein Tagebuch führt, sich in die Kollegin Julia verliebt, Kontakte zu „Unpersonen“ aus dem Widerstand sucht, Fragen nach der Vergangenheit und der Wahrheit stellt, führt er den eigenen Untergang herbei. Er kommt in die Mühlen der sogenannten „Gedankenpolizei“, deren erklärtes Ziel ist, jeden Abtrünnigen nicht nur einfach hinzurichten – nicht sofort jedenfalls -, sondern ihm davor so lange unter Folter das Gehirn zu waschen, bis er an seinem eigenen Denken, der eigenen Wahrnehmung, dem eigenen Sein zweifelt.

Diese Art Story kommt uns bekannt vor. Inzwischen gibt es für diese Art „Science Fiction“ sogar eine Genrebezeichnung – Dystopie – die alle Nase lang durch Rezensionen und Blogs geistert. Gerade in letzter Zeit spielen viele populären Romane in einer Zukunft, die nicht mehr so nett und lustig wie das Star-Trek-Universum ist.

Aber umgekehrt wird ein Schuh daraus: Orwell ist die Quelle dieser Gattung, sein 1984 war neben Huxleys Schöne Neue Welt die erste Zukunftsvision dieser Art und ist bis heute mit Abstand die Düsterste, denn dieser Roman behandelt nicht nur den äußeren Kampf des Menschen gegen den Staat, sondern dringt bis zum Kern der Finsternis vor, dem Kampf gegen sich selbst. Niemand danach hat jemals den Albtraum einer hypermodernen Diktatur so konsequent zu Ende gedacht.

Orwell beschreibt einen grauenerregendes Staat, in dem ständig Krieg, Hunger und Mangel herrscht, jedoch nicht aus Notwendigkeit, sondern einzig und allein mit dem Ziel, das „hilflose Vieh“, das Volk also, in Dummheit zu halten. Jeder Mensch wird per „Televisor“ zentral überwacht, aber auch unterhalten; die Sprache wird durch zentrale Order systematisch vereinfacht, ja verarmt (mit jedem Jahr ist das Wörterbuch kleiner) um jeden Widerspruch schon im Keim undenkbar, weil unformulierbar zu machen; die Geschichtsschreibung wird systematisch verfälscht, die Menschen nach Plan aufgehetzt. Fiktive Feindbilder laufen über die Mittagspause per Video-Stream in sogenannten „Hass-Sendungen“, um die Frust und Aggression der Untertanen in Loyalität zum Staat zu verwandeln. Und das alles ist nur der normale Alltag in der Beschreibung. Als Winston Smith in die Mühlen der Gedankenpolizei kommt, zeigt sich erst wirklich der Abgrund hinter diesem System.

Orwell schrieb dieses Buch praktisch auf dem Totenbett zu Ende; totkrank und nach den Enttäuschungen britischer Linker in der Zeit des Stalinismus offenbar immer noch von der Idee getragen, dass der menschliche Geist wenigstens auf dem Papier - also dem Papier seiner Dichtung - den Sieg über Tyrannei, systematischer Dummheit und Gewalt davontragen könnte.

Dieses Buch ist ein Muss!

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