Cover des Buches Animal Farm (ISBN: B0092KVWOM)
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Rezension zu Animal Farm von George Orwell

Animal Farm von George Orwell

von nana_what_else vor 4 Jahren

Kurzmeinung: Animal Farm ist ein kurzer Text, aber einer, der es in sich hat.

Rezension

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nana_what_elsevor 4 Jahren


„ALL ANIMALS ARE EQUAL. BUT SOME ANIMALS ARE MORE EQUAL THAN OTHERS.“
aus: Animal Farm von George Orwell. Textrechte: Penguin, Seite 90.


Klappentext: Mr. Jones of Manor Farm is so lazy and drunken that one day he forgets to feed his livestock. The ensuing rebellion under the leadership of the pigs Napoleon and Snowball leads to the animals taking over the farm. Vowing to eliminate the terrible inequities of the farmyard, the renamed Animal Farm is organized to benefit all who walk on four legs. But as time passes, the ideals of the rebellion are corrupted, then forgotten. And something new and unexpected emerges …

Animal Farm – the history of a revolution that went wrong – is George Orwell’s brilliant satire on the corrupting influence of power.


Persönlicher Leseeindruck: Ich weiß nicht, ob es Pech ist oder ein riesengroßes Glück, dass ich Animal Farm nicht als Schullektüre vorgesetzt bekam. Einerseits wünschte ich mir, ich hätte diese Büchlein schon vor Jahren gelesen, andererseits bin ich froh darüber, dass ich es ganz für mich lesen und wirken lassen durfte.


Auf Manor Farm werden die fleißigen Tiere ausgebeutet, unterdrückt, vernachlässigt. Als der Farmer Jones eines Tages im Suff schließlich sogar vergisst, seine geschundenen Tiere zu füttern, ist für diese klar: So geht es nicht weiter, es ist Zeit zu handeln. Sie stehen solidarisch zusammen und organisieren sich, um Jones zu vertreiben und die Farm zu übernehmen, um in Zukunft selbst die Früchte ihrer harten Arbeit zu ernten und die Fesseln der Unterdrückung ein für allemal zu sprengen.

Die Regeln ihrer Gemeinschaft gründen auf Gleichheit, Solidarität und Fairness. Während ihre Revolution zu Beginn erfolgreich zu sein scheint, beginnen die Schweine immer und immer mehr die Charakterzüge ihrer einstigen Unterdrücker anzunehmen, werden immer „menschlicher“, immer skrupelloser und treten das Gebot der Gleichheit schließlich mit Füßen.

Schließlich kommt es, wie es kommen muss – die Revolution frisst ihre eigenen Kinder.


„Now, comrades, what is the nature of this life of ours? Let us face it, our lives are miserable, laborious and short. We are born, we are given just so much food as will keep the breath in our bodies, and those of us who are capable of it are forced to work to the last atom of our strength; and the very instant that our usefulness has come to an end we are slaughtered with hideous cruelty. […] The life of an animal is misery and slavery: that is the plain truth.“
aus: Animal Farm von George Orwell. Textrechte: Penguin, Seite 3.


Bereits 1945 erschienen, hat der Text bis heute nichts an seiner Aktualität eingebüßt, im Gegenteil: Er veranschaulicht auf einzigartige Weise das sich stete Wiederholen revolutionärer Akte, die von Hoffnung auf eine bessere Zukunft befeuert und Solidarität getragen zunächst Erfolg versprechen, sich jedoch in ihr Gegenteil verkehren und schlussendlich in Despotismus enden.

Während des Lesens wird man – trotz der Einfachheit der Sprache – beinahe erschlagen von den Lesarten, die der Text anbietet und den Eindrücken, die damit einhergehen.

Die berühmteste Interpretation der Fabel ist sicher jene, dass Animal Farm als Parabel für die Geschichte der Sowjetunion gelesen werden kann – von der Unterdrückung der Bürger hin zu Revolutionen, zur Entwicklung des Kommunismus und dem Einmünden aller hoffnungsfrohen Bestrebungen in eine paranoide Gewaltherrschaft, deren Gesicht Stalin war. Spannend sind dabei die Zuordnungen der Figuren zu historischen Persönlichkeiten, Gesellschaftsschichten oder Ereignissen, die teilweise bereits durch die sprechenden Namen der Vierbeiner angedeutet werden.

Animal Farm ist jedoch unglaublich vielschichtig und verhandelt auf verschiedenen Diskursebenen Fragen der Moral und Ethik. Da schwingen Fragen mit über die Unantastbarkeit der (Menschen-)Würde, den Wert des Einzelnen in einer Gesellschaft, in der das Konzept der Gleichheit zweckinstrumentalisiert wird, über Freiheit und sehr reale aber dystopisch wirkendeWirtschafts- und Regierungssysteme.

Sprache und Struktur der Fabel sind einfach gestrickt, ihre Komplexität wird erst deutlich, wenn man beginnt, die Allegorien aufzudröseln, den Entstehungskontext unter die Lupe zu nehmen und den Text auch in seiner Aktualität wirken zu lassen.

Für mich bot der Text nicht nur aufgrund seiner politischen Aufgeladenheit jede Menge Denkstoff. Auch die implizit verhandelte Dialektik von Tierischem und Menschlichem beschäftigte mich noch lange. Unterstellt man jemandem „unmenschlich“ zu handeln, so attestiert man ihm meist ein Fehlen von Empathie und moralischer Geleitetheit. Dass in dem Buch dieses Konzept immer und immer wieder verkehrt wird, das Tierische für Würde, das Menschliche für Korrumpierbarkeit steht – so verlieren die Schweine peu à peu all ihre Integrität, in dem sie sich nach und nach menschliche Charakterzüge und Handlungsweisen aneignen – lädt gerade in Zeiten wie diesen, in denen die Selbstüberhöhung des Menschen über Flora und Fauna (zum Glück, endlich!) international diskutiert wird, zu noch ein wenig mehr Selbstreflexion ein.


„The creatures outside looked from pig to man, and from man to pig, and from pig to man again: but already it was impossible to say which was which.“
aus: Animal Farm von George Orwell. Textrechte: Penguin, Seite 95.


Als Manko dieser Penguin-Ausgabe sei noch kurz erwähnt, dass in ihr das Vorwort, das bereits 1945 der Zensur zum Opfer fiel (ironisch, da in ihm die Pressefreiheit verhandelt wird), nicht abgedruckt ist.

Fazit: Animal Farm ist ein kurzer Text, aber einer, der es in sich hat. Die Fabel vereint so viele Bedeutungsschichten und lässt im Spannungsfeld ihrer Historizität und Aktualität so viele Lesarten zu, dass es sich lohnt, sie auch ein zweites oder drittes Mal zu lesen: Genügend zu entdecken gibt es auf jeden Fall.

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