Cover des Buches Die Analyse der Finanzkrise ...und was sie bedeutet - weltweit. (ISBN: 9783898795005)
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Rezension zu Die Analyse der Finanzkrise ...und was sie bedeutet - weltweit. von George Soros

Interessante Einblicke, widersprüchliches Konzept

von Dr_M vor 9 Jahren

Rezension

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Dr_Mvor 9 Jahren
Wenn Soros spricht, hört man zu. Nun hat der Meister aller Hedgefond-Spekulanten sich erneut zur Finanzkrise geäußert, sie analysiert und Lösungsvorschläge präsentiert. Dieses dünne Büchlein ist eine enorme Informationsquelle, die allerdings nicht für den normalen Bürger verfasst wurde. Man benötigt schon gewisse Grundkenntnisse über die Finanzmärkte, ihre Produkte und Mechanismen.

Da Soros offenbar den Mächtigen der USA und anderer Länder beratend zur Seite stand, finden wir zwischen den Zeilen interessante Informationen über die Vorgehensweise einiger der Handelnden. Und natürlich offenbart diese Schrift auch wie Soros denkt und welche Vermutungen er über das Denken anderer besitzt.

Nachdem uns der Meister zunächst vorgestellt wird, kommt dieser im Anschluss selbst zu Wort und referiert über Erfolg und Misserfolg seines Quantumfonds im vergangenen Jahr. Dann widmet er sich dem "Crash von 2008", der für ihn mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers am 15. September begann. Soros versteht nicht, wieso die US-Behörden und hier insbesondere Finanzminister Paulson das zulassen konnten, denn schließlich haben die Behörden immer unterstützend eingegriffen, wenn etwas bei den Banken aus dem Ruder lief.

An dieser Stelle offenbart Soros bereits seinen Denkansatz, den er später weiter ausbaut. Immer wenn etwas schief läuft, muss der Geldhahn aufgedreht werden. Das ist nicht nur sein Ansatz, sondern die reale Politik der amerikanischen Notenbank, die bekanntlich nicht dem Staat, sondern einigen großen Banken gehört. Die Flutung der Finanzmärkte mit Dollar-Papiergeld ist aber die wahre Ursache der jetzigen Krise. Geld verlangt Rendite, und mehr Geld verlangt mehr Rendite. Gibt es keine vernünftigen Anlagemöglichkeiten mehr, dann werden unvernünftige gesucht und mit ihnen Blasen geboren, die früher oder später platzen.

Soros fordert, dass die US-Administration jetzt Inflation erzeugen solle, um die Märkte wieder in Schwung zu bringen. Und wenn dann alles wieder gut sei, dann müsse man dieses Geld wieder aus den Märkten ziehen. Und zwar in derselben Geschwindigkeit wie es hineinkam. Das ist starker Tobak.

Erstens hat das noch nie in der Vergangenheit funktioniert. Im Gegenteil, das Geldmengenwachstum hat sich beschleunigt. Zweitens kann man Geld nicht einfach wieder aus den Märkten herausziehen. Papiergeld beruht auf Schuldscheinen (Staatsanleihen zum Beispiel). Geld verschwindet nur aus dem Kreislauf, wenn Schulden bezahlt werden. Und zwar mit vorhandenem Geld und nicht mit extra dazu neu erschaffenem. Um das zu schultern, müsste die Obama-Regierung die Steuern drastisch erhöhen. Das ist weder populär, noch stimulierend für die Wirtschaft. Und selbst dann bekäme man das Geld nicht in der Geschwindigkeit aus den Märkten, mit der es hineinkam. Wir reden hier über mehrere tausend Milliarden Dollar.

Drittens haben die USA schon über Jahre durch ihre übermäßige Schöpfung von Papierdollars, die in keinem Verhältnis mehr zu ihrer Wirtschaftskraft steht, den Dollar inflationiert. Das bekamen sie nur deshalb nicht zu spüren, weil andere ihre bereits vorhandenen Dollars dazu benutzen, um amerikanische Staatsanleihen zu kaufen, was nichts anderes ist, als dieses Geld aus dem Verkehr zu ziehen. Diese Länder (insbesondere China) sitzen nun auf diesen Anleihen. Sie müssen die amerikanische Absicht, den Dollar bewusst zu inflationieren, völlig zu Recht als Diebstahl auffassen. Freunde gewinnt man auf diese Weise gewiss nicht.

Neben dem Vorschlag Inflation zu erzeugen, der von Obama aufgegriffenen wurde, enthält diese Schrift aber noch andere interessante Informationen und Lösungsvorschläge für kleinere Baustellen, die jedoch ähnlich widersprüchlich sind.

Wenn man dieses Büchlein genauer liest, dann begreift man ein weiteres Mal, dass es nicht die Märkte waren, die versagt haben, sondern die Politik. Die Politik behandelt die Banken nicht so wie andere Unternehmen. Geht etwas schief, dann haftet der Steuerzahler. Hier gibt es keinen Markt und faktisch kein Risiko. Die Politik hat den Derivate-Markt nicht geregelt. Während es in anderen Märkten standardisierte Produkte gibt, kann hier jeder erfinden, was er will. Auf diese Weise wissen einige Marktteilnehmer gar nicht mehr, was sie eigentlich im Portfolio haben. Das lesen wir auch bei Soros.

Und schließlich ist der amerikanische Hypothekenmarkt einfach politisch so konstruiert gewesen, dass es früher oder später zu einem solchen Zusammenbruch kommen musste. Das erklärt Soros ganz hervorragend.

Am Ende seines Buches geht Soros dann auf die von ihm zukünftig erwarteten politischen und finanzpolitischen Entwicklungen ein. Das muss man nicht unbedingt so sehen wie er. Insbesondere meckert er über Deutschland, das sich dem unbegrenzten Geldschöpfungsprozess aus dem Nichts glücklicherweise (noch) entgegenstellt.

Schließlich verteidigt er seine Reflexionstheorie gegen Vorwürfe. Eigentlich ist diese Theorie völlig verständlich und in Ordnung. Ein Markt ohne Rückkopplung ist kein Markt. Die Reflexionstheorie erklärt unter anderem, dass sich Märkte durch eben diese Rückkoppelungen so hochschaukeln können, dass sie aus dem Gleichgewicht rutschen. Diese Trivialität kann von Wirtschaftswissenschaftlern praktisch nicht bestritten werden. Dennoch halten sie an der Theorie der effizienten Märkte fest, die so etwas wie die gegenwärtige Krise eigentlich ausschließt. Verstehe das, wer will. Soros wird seine Theorie nicht quantifizieren können, denn sie führt zu Nichtlinearitäten mit denen man nur schwer umgehen kann. Das ist ihr eigentliches Problem.

Fazit.
Dieses kleine Büchlein ist sehr informativ. Es setzt allerdings einige Kenntnisse voraus. Und es zeigt die ganze Widersprüchlichkeit im Denken von Soros. Ob sein Rezept aufgehen wird, wage ich zu bezweifeln. Im besten Fall verschiebt es den großen Knall in die Zukunft, denn eine Wirkung mit ihrer Ursache bekämpfen zu wollen, ist ziemlich aussichtslos.
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