Cover des Buches Making News (ISBN: 9783218008808)
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Rezension zu Making News von Gerald Groß

Was wir schon immer über die Zeit im Bild wissen wollten

von WolfgangB vor 10 Jahren

Rezension

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WolfgangBvor 10 Jahren
Warum Journalisten einen 24-Stunden-Arbeitstag bewältigen müssen und nicht nur für die Zeit vor der Kamera bezahlt werden, warum ein Studiointerview mit Hugo Portisch stets einen zeitlichen Balanceakt darstellt und warum Armin Wolf die junge Bewerberin Lou Lorenz zunächst für einen Mann hielt, Fragen wie diese werden in "Making News" beantwortet. Fragen, die einem Leser zunächst nicht in den Sinn gekommen wären, die sich aber bei näheren Überlegungen unmittelbar aus der österreichischen Nachrichtensendung mit der blauen Weltkugel im Hintergrund ergeben.

Den gebürtigen Steirer Gerald Groß führte sein Weg zunächst vom Germanistikstudium an der Universität Wien als freier Mitarbeiter zu verschiedenen Zeitungen, ehe er 1988 im Landesstudio Burgenland sein Debüt vor der Kamera des ORF feierte. (Unter welchen Umständen genau er beim großen Medienunternehmen Fuß fassen konnte, beschreibt er in einem Kapitel seines Buches.) 2001 trat er - inzwischen um viele Erfahrungen reicher - die Nachfolge Robert Hochners in der Zeit im Bild 2 an, ehe er bis 2011 in Doppelmoderation durch die tägliche ZiB um 19:30 führte. Ende September wechselte er in die Privatwirtschaft und legt nun mit gewonnener Distanz zum vormaligen Arbeitgeber seinen Band "Making News" vor.

Thematisch gegliedert in kurze Kapitel beispielsweise zur Herausforderung von Liveschaltungen, die Wahl der richtigen Kleidung vor der Kamera oder den Alltag von Auslandskorrespondenten, versteht sich der Band als eine Sammlung in erster Linie persönlicher Erlebnisse, sowie auch der Beschreibung technisch-logistischer Abläufe in der Redaktion.

Wo würde man dieses Buch in einer systematisch sortierten Bibliothek einordnen?
In den Biographien?
In den medientheoretischen Sachbüchern?
So schwierig die Kategorisierung erscheint, so einfach macht es Gerald Groß dem Leser, wenn er komplexe oft sehr technische Sachverhalte aus dem Alltag zwischen Schneidezimmer und Fernsehstudio anschaulich erklärt. Sei es die Funktionsweise von Telepromptern, mit Hilfe derer Moderationstexte aufbereitet werden, welchen Herausforderungen sich ein Bewerber für den aktuellen Dienst stellen muß oder welche Kleidung vor der Kamera zu unangenehmen Effekten auf dem Fernsehschirm führt, der Autor beweist großes Gespür in der Aufbereitung der gewählten sachlichen Komplexe. Gerald Groß erahnt die Interessen seiner Leser und beantwortet sie auf eine Weise, daß der Leser niemals mit offenen Fragen zum nächsten Abschnitt blättert. Der Umgang mit komplexen Themen erfolgt weder zu oberflächlich, noch zu akademisch, der angenehme Plauderton, in dem immer wieder persönliche Eindrücke verarbeitet werden, erstickt aufkommende Langeweile im Keim.

Wenn Gerald Groß erzählt, wie eine Fahrt nach Graz per Autostopp den Grundstein seiner Karriere beim ORF bildete, mit welch frecher Courage Tarek Leitner in Interviews agiert oder daß Armin Wolf in seiner Jugend unter großen Ohren litt, weiß er seinem Buch einen ganz besonderen Charme zu verleihen. Der legendäre Auftritt von Otto Waalkes bei Ingrid Thurnher darf dabei ebensowenig fehlen wie Hans Bürger, der für eine Liveschaltung in die Hofburg bei einer Regierungsangelobung nicht verfügbar war, da er gerade ein Brötchen verspeiste. Kleine Geschichten wie diese sind es, die den Nimbus des unantastbaren Nachrichtenstars relativieren, den vom Fernsehschirm bekannten Figuren ihre Menschlichkeit verleihen. Gerald Groß begegnet dem Leser auf Augenhöhe, plaudert mit ihm über gemeinsame Bekannte, lädt dazu ein, gemeinsam über diese zu schmunzeln. Daß er dabei niemals bösartig, sondern stets respektvoll berichtet, spricht sowohl für den Autor, als auch für die besonderen Beziehungen, die er beim ORF knüpfen durfte.

Fazit:
Wissenswertes und Unterhaltsames aus dem medialen Tagesgeschäft, nach der Lektüre von "Making News" wird man das Herzstück der ORF-Information mit anderen Augen sehen. Der Autor verhält sich wie ein Bühnenmagier, der seine erfolgreichsten Zaubertricks erklärt und es dabei auf wundersame Weise fertigbringt, diese eben nicht durch nüchterne Erdung zu demystifizieren. Und darin besteht der wahre Zauber dieses Buches.
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