Ein riesiges Polizeiaufgebot, mehrere Sokos, die Mitarbeit hunderttausender Bürger, die Ausschöpfung aller Mittel der Verbrecherjagd,- doch die 12-jährige Tochter von Kommissar Kolsky bleibt verschwunden. Der Vater sucht so besessen weiter, dass er dabei verrückt wird und in der Psychiatrie landet. Mit Hilfe eines Ex-Agenten gelingt ihm die Flucht aus der Anstalt, um auf eigene Faust sein Kind zu suchen, denn er wurde vom Dienst suspendiert. Unterdessen kommen mehrere Männer gewaltsam zu Tode, wahrscheinlich ermordet. Die Medien berichten von Racheschwadronen. Nachdem einem zehnjährigen Mädchen, das ebenfalls entführt worden war, schwimmend die Flucht durch die Isar gelingt, steht die Sonderkommission kurz vor dem Zugriff des mutmaßlichen Entführers. Doch dann wird die Soko-Leiterin erstochen aufgefunden.
(Klappentext)
Wer würde da nicht verrückt werden? dachte ich, als ich den Prolog las. Aber für Kommissar Kolsky kam es schlimmer. Er wurde vom Dienst suspendiert, endete im Wahn und kam in die Psychiatrie. Der nach eigener Aussage „härteste Hund der Kriminalgeschichte“ wusste sich jedoch zu helfen und floh aus der „Klapse“, um seine entführte Tochter zu suchen. Als er sich unter wechselnden Identitäten ohne Dienstmarke auf die Verbrecherjagd machte, begannen die Überfälle und Morde auf mutmaßliche Täter. Ein Mann nach dem anderen wurde zusammengeschlagen und starb wenig später auf mysteriöse Weise. Hatte der Ex-Kommissar etwas damit zu tun? Oder die Medizinstudentin mit den zwei Persönlichkeiten, selber ein Opfer von mehrfachem Kindesmissbrauch, die im Traum töten übte? Gehörte der Ex-Kommissar zu den Racheschwadronen, von denen die Medien berichteten? Trotz der Gewalttaten, trotz aller Unterstützung durch Kolskys Kripokollegen, einen Ex-Agenten, einen gewitzten Reporter blieb Kolskys geliebte Tochter verschwunden. Ich fieberte und rätselte wie jemand, der selber auf Verbrecherjagd geht. Der Nervenkitzel schwoll an, als einem entführten Mädchen schwimmend die Flucht gelang und dabei eine Kripobeamtin erstochen wurde. Endlich kommt dann von mehreren Seiten eine Welle in Gang, die meine aufgepeitschten Gefühle belohnte, wenn auch nicht ganz ohne Tragik.
Welche Akteure haben mich beeindruckt?
Neben dem Ex-Kommissar, den seine Ehefrau sogar zu einer Wahrsagerin mitnahm, die Medizinstudentin Lena, die der jahrelange Missbrauch zum Kickbox-Champion machte. Ihr Hund Tarzan, der bei Alpträumen von Frauchen aufs Bett sprang, um ihr beizustehen. Sodann das Missbrauchsopfer Anja Temeli, deren Horror-resistenter Humor die Ermittler schachmatt setzte. Und der Boulevard-Reporter Bamberger, der in seinem wunderbaren Schweizer Deutsch alle zum Reden brachte.
Was hat mir die Lektüre noch gegeben?
Packend fand ich das Familiendrama, das sich bei Kommissar Krauthammer, dem Nachfolger Kolskys, abspielte, und wie die Beteiligten damit zurechtkamen.
Fasziniert hat mich Kolskys Besuch bei der steinalten Wahrsagerin Arcana, die per Trance, geheimnisvollen Akupunkturnadeln (im dritten Auge) und Tarot dem Haudegen eine Glücksgöttin attestierte.
Etwas über Menschen zu erfahren, die mit mehreren eigenständigen Persönlichkeiten leben („dissoziative Identitätsstörung“), stimuliert mich immer noch, vor allem zu erleben, was da alles passieren kann (habe mehrere Semester Psychopathologie studiert).
Resumee
Ich bin kein Fan reißerischer Spannung. Viel mehr interessiert mich geballter Inhalt. In Töten üben gibt es mehrere Spannungsbögen und verwertbares Wissen. Jedes Kapitel ist für sich genommen informativ, manche proppenvoll mit schillernden Typen (statt Langweilern), „Action“ und fetzigen Dialogen (statt Gelaber). Sogar Esoterik-Freunde (wie ich) kommen voll auf ihre Kosten. Von der Sorte Thriller kann ich zwanzig lesen, und zwar hintereinander.
Deshalb die 5 Sterne.