Rezension zu "Dämonen" von Gerhard Ammerer
Wer glaubt, dass „Teufelsaustreibungen“ längst Vergangenheit und Aberglauben sind, sollte dieses Buch lesen.
Gerhard Ammerer, Nicole Bauer und Carlos Watzka untersuchen in zehn Kapiteln war es mit dem Glauben an Dämonen und Teufeln auf sich hat,
Neben einer Einleitung gliedert sich das Buch wie folgt:
- Grundlagen der europäischen Dämonologie: Hellenismus, Judentum, Neues Testament
- Der Kampf gegen die bösen Geister vom Frühmittelalter bis zum Erscheinen des Hexenhammers
- Ein Zenit der Dämonisierung: Besessenheit während der „Glaubensspaltung“
- Besessenheit und Austreibungspraxis im Barock und das „Rituale Romanum“ von 1614
- Die dämonische Besessenheit in der Kritik - die Aufklärungszeit
- Teufelsglaube zwischen politischer Marginalisierung und populärer Alltäglichkeit im Biedermeier
- Zwischen Beschwörung und Bannung: Dämonen im „Kulturkampf“ des Pressewesens
- Symbolische Präsenzen. Praktiken der Teufelsaustreibung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
- Abschied vom Teufel? Besessenheit und Exorzismus im späten 20. Jahrhundert
- Rückkehr des Teufels? Globalisierung und Dämonisierung seit den 1990er-Jahren
Mit einem Resümee und Ausblick schließt das Buch, das neben einem Anhang zahlreichen Abbildungen enthält.
Meine Meinung:
Die rituelle Teufelsaustreibung hat in Österreich eine lange Geschichte, ich möchte fast sagen „Tradition“. An Hand von durch Protokolle und Akten belegten Exorzismen beschreiben die drei Autoren das Procedere.
Wenn es nicht so traurig und brutal wäre, müsste man fast schmunzeln, wenn man liest, dass bei der Teufelsaustreibung, die man 1783 an dem Ötztaler Bauernmädchen Johanna Scheiber vollzogen hat, ein Tirolerisch sprechender Teufel mit angeblich Millionen (?) anderer Teufel ausgefahren sei. Man stelle sich bitte den höllischen Stau vor.
Diese Teufelsaustreibung ist heute noch als „Wunder von Seefeld“ bekannt und hat Seefeld zum Wallfahrtsort gepusht. Ein Schelm, der hier Böses vermutet, wenn durch Wallfahrer viel Geld in die Kassen der Kirche gespült worden ist.
Skeptische Geister haben die Darstellung schon damals angezweifelt. Immerhin ist auch in Österreich das Zeitalter der Aufklärung angebrochen. Kaiser Joseph II. regiert und hat, wie man weiß zahlreiche kontemplative Klöster aufgehoben. Man nähert sich zahlreichen, bislang rätselhaften Phänomenen inzwischen mit dem Blick der Naturwissenschaft.
Die Autoren – der Historiker Gerhard Ammerer, die Religionswissenschafterin Nicole Bauer und der Soziologe Carlos Watzka – spannen einen weiten Bogen: von antiken Kobolden und Zwischenwesen, halb Mensch, halb Gott, über die jüdischen Totengeister sowie Unholde der muslimischen Welt bis hin zum dämonischen Personal der christlich-katholischen Lehre. Vor allem bei Letzterer, weil in Österreich die Religionsgemeinschaft mit den meisten Gläubigen, spielt die Erzählung von gefallenen Engeln, deren Chef der Teufel ist, der ein Heer von Dämonen befehligt, eine große Rolle. Nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch in der jüngsten Zeit. Hierzu gibt es interessante Stellungnahmen sowie Zeitungsberichte aus 2011 bzw. 2023.
Wenn man sich so manchen Politiker, der wild gestikulierend und mit bis zur Grimasse verzerrten Gesicht seine Botschaft verkündet, ansieht, könnte man fast an Dämonen glauben. Aber nur fast!
Fazit:
Gerne gebe ich diesem interessanten Werk der Autoren Ammerer, Bauer, Watzka, das einen wisssenschaftlichen Einblick auf Österreichs Geschichte in Bezug auf Dämonen und Teufel gibt, 4 Sterne.