Die Verfasserin des „Lehrerhasser“-Buchs hat wieder zugeschlagen und erweitert ihre harsche Kritik auf die gesamte Schule, auf den Staat und auf Experten. Ihr provokativer Schreibstil würde sich in Form einer Glosse gut lesen, ist auf Buchlänge gestreckt jedoch ziemlich anstrengend.
Auch wenn ich ihr in ihrer Kernaussage, dass Intuition der beste Erziehungsratgeber ist, Recht gebe, bin ich mit Unverzagts Argumentationsweise nicht einverstanden. Unverzagt wiederholt sich oft, und ebenso oft widerspricht sie sich auch selbst. So beklagt sie sich, dass Eltern in der Schule keine wirklichen Mitspracherechte haben, gleichzeitig postuliert sie aber, dass Schule Sache der Lehrer und Erziehung Sache der Eltern sein sollte.
Ärgerlich finde ich, wie unsauber Unverzagt argumentiert und dass sie Behauptungen nicht belegt. Zum Beispiel wenn sie die Annahme, dass Erfahrungen in der Kindheit den Verlauf der weiteren Entwicklung bestimmen können, schlichtweg als „falsch“ abtut, ohne Gegenargumente zu bringen. Oder auch, wenn Unverzagt die fehlenden Mitsprachemöglichkeiten der Eltern in der Schule bei der Auswahl der Lehrer bemängelt, wobei sie übersieht, dass Personalentscheidungen in erster Linie nicht in der Schule, sondern im Schulamt getroffen werden.
Belegt wird auch nicht, dass angeblich alle Eltern unter Generalverdacht des Staates stehen. Auf die Zielgruppe dieses Buches wird das sicherlich nicht zutreffen. Unverzagt macht aber leider keinen Unterschied zwischen den unterschiedlichen Arten von Eltern. Sie konzentriert sich auf die Überbehütenden und lässt dabei die Gleichgültigen und Vernachlässigenden außer Acht.
Auch gegen Erziehungsratgeber zieht Unverzagt ins Feld. Die teilweise widersprüchlichen Vorschriften der jeweiligen Ratgeber führen ihrer Ansicht nach bei den Eltern zu Schuldgefühlen und Konkurrenzdenken. Das mag zutreffen. Aber war das denn früher anders? Da kamen die mehr oder weniger ungebetenen Ratschläge zwar nicht aus Büchern, sondern von Verwandten, Freunden und Nachbarn, die alles vermeintlich besser wussten, aber für die damaligen Eltern war das sicherlich nicht weniger verwirrend.
Einige Aussagen von Unverzagt finde ich berechtigt, zum Beispiel ihre Kritik an der Bildungs- und Familienpolitik, an der Frühförderungsmanie und an Eltern, die lieber Kumpel ihrer Kinder sein wollen, statt Regeln durchzusetzen. Diese Kritik kommt allerdings in Form von Gemeinplätzen daher, die keine vernünftige Diskussionsgrundlage bieten.
Wie schon im „Lehrerhasser“-Buch polarisiert Unverzagt und negiert eine konstruktive Zusammenarbeit von Eltern und Schule. Positive Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit der Schule, wie ich sie als Elternvertreterin seit Jahren mache, kommen bei ihr einfach nicht vor. Dass sie darüber frustriert ist, merkt man beim Lesen.
Zur Anregung einer kontroversen Diskussion ist dieses Buch jedoch gut geeignet.
Rezension zu "Eltern an die Macht" von Gerlinde Unverzagt