»Als die sinnlose Rede endlich zu Ende ist, lassen zwei Männer den Sarg in das Grab hinab. Wir sehen uns an, nicken, und gehen dann alle gleichzeitig an den Rand der Grube. Den kleinen Kübel mit Sand, in dem eine Schaufel steckt, ignorieren wir. Wir werden unseren Freund nicht mit Dreck beschmeißen. Stattdessen legen wir alle gleichzeitig, als hätten wir’s wochenlang geübt, den Kopf zurück. Und dann spucken wir, in hohem Bogen, unsere Kirschkerne in das Grab. Der Pastor funkelt uns mit wütenden Augen an. Doch was weiß der schon!«
Nein, der Pastor kann das sicher nicht verstehen. Doch der zu Beginn des Buchs noch namenlose Tote hätte sich über dieses Zeichen der andauernden Freundschaft gefreut.
Mit dieser Begräbnisszene startet das Buch. Erzähler Piet ist gerade 40 geworden, nun steht er am Grab des alten Freundes und erinnert sich an die jahrzehntelange Geschichte der Kirschkernspuckerbande. Wenn man wie ich in den 1960er Jahren geboren ist, macht diese kleine Zeitreise besonderes Vergnügen, schließlich ruft jedes Kapitel zahlreiche Erinnerungen wach. Aber auch später geborene Leser sollten diesen zeitgeschichtlichen Ausflug mit Interesse verfolgen können.
Was die Kirschkernspucker ausmacht, ist die Freundschaft, die sie seit der Kindheit verbindet. Piet und Sven haben sich bereits die Krabbeldecke geteilt, bis zur Grundschule kamen dann noch Petra, Dilbert, Bernhard und Susann hinzu. Jedes Kind ein Individuum, charakterlich verschieden und auch ihre Elternhäuser unterscheiden sich gravierend. Es ist wunderschön, aber für mein Empfinden auch ein wenig utopisch, dass sich unter diesen Voraussetzungen so tiefe und langanhaltende Freundschaften entwickeln konnten. In meiner Erinnerung wurde beispielsweise ein von den Eltern verhängtes „Mit-dem-spielst-du-nicht“ durchgesetzt, aber gern stelle ich mir beim Lesen vor, dass es nicht so wäre.
Auch das Leben der Freunde entwickelt sich sehr verschieden. Manche brauchten lang, um zu sich zu finden, manchen ist es zum Zeitpunkt der Beerdigung immer noch nicht gelungen. Das wiederum klingt sehr realistisch! Auch Konflikte mussten ausgetragen werden, aber letztlich können sich die Kirschkernspucker aufeinander verlassen, und das sorgt beim Lesen für Wohlfühlmomente. Weil das Leben trotzdem nicht immer glatt läuft, gab es manch tragische Momente, an anderen Stellen konnte ich aber herzhaft lachen, der Autor hat einen leicht lesbaren, treffenden und unterhaltsamen Stil. Es gibt noch einen Folgeband, den möchte ich auch lesen.
Fazit: Die Geschichte einer jahrzehntelangen Freundschaft. Mal tragisch, mal lustig – so wie das Leben halt.