Rezension zu "Der Chevalier Des Touches" von Jules Barbey d`Aurevilly
In einer Winternacht in den letzten Jahren der bourbonischen Restauration (1814-1830) begegnet dem Abbé de Percy auf dem Kapuzinerplatz des kleinen Städtchens Valognes ein verwirrter alter Mann. Sie tauschen ein paar Worte aus, ehe dieser Alte wieder in die Nacht verschwindet. Der Abbé ist überzeugt, dass dieser Mann der Chevalier des Touches war, ein seit Jahrzehnten unter mysteriösen Umständen verschwundener und wohl auch tot geglaubter Held der "Chouannerie" - Guerillakämpfer katholischer Royalisten gegen die Erste Französische Republik (1792 bis ca. 1804). Diese Vermutung trägt er beim Besuch des ältlichen landadeligen Geschwisterpaars Ursule und Sainte de Touffedelys vor, welche sich daraufhin an jene Zeit des Widerstands erinnern, als sie jung waren und ihr Haus geheimer Treffpunkt der "Chouans" war.
In ihrer Gesellschaft befindet sich auch die maskuline Barbe-Pétronille de Percy, die die Erinnerungen des Geschwisterpaares aufnimmt und von ihrem heldenhaften Einsatz 1799 als Eine "der Zwölf" zu erzählen beginnt. Das "Unternehmen der Zwölf" war die Befreiung des Jacques Destouches de la Fresnay, der wagemutig und halsbrecherisch bei jeder Witterung geheime Depeschen in einer kleinen Nußschale von Boot von Frankreich nach England brachte. Doch er war schlußendlich gefasst und inhaftiert worden. Interessiert lauschen die Geschwister und der Abbé der romantisch veranlagten Widerstandskämpferin, die leidenschaftlich vom Chevalier erzählt und weiß, dass ein weiterer Gast im Hause de Touffedelys, der am knisternden Feuer sitzt und stickt, taub ist und nichts von der Geschichte mitbekommt, in welcher dieser Gast eine zentrale und pikante Rolle spielte. Der Gast ist Aimée-Isabelle de Spens, die Verlobte des Helden...
Von 1849 bis 1863 hat Jules Barbey d'Aurevilly (geboren 1808, gestorben 1889) an diesem Roman geschrieben, der nach Balzac und Hugo einen weiteren Versuch der historischen Schilderung der gescheiterten Revolte der "Chouans" (so genannt, weil der Verständigungsruf der Guerillakämpfer der eines Käuzchens (franz.: chouchette) war) darstellte. Die Fantasie und der Einfallsreichtum des Autors haben ihn aber immer wieder von der rein historischen Erzählung abkommen lassen und so präsentiert sich nach mehr als anderthalb Jahrhunderten erstmals in deutscher Sprache eine Mixtur aus historischem und fantastischem Roman - eine wilde und ungemein kunstvolle Mischung von Abenteuer- und Liebesgeschichte.
Die wunderschöne deutsche Ausgabe des Verlags "Matthes & Seitz" bietet neben der exzellenten Übersetzung durch Gernot Krämer und Caroline Vollmann noch ein Nachwort von Gernot Krämer sowie zwei Essays von Heinrich Mann und Michel Serres. Der funkelnde Text wird durch herrliche Illustrationen von Félix Buhot aufgelockert und versinnbildlicht das Geschehen. Hoher Lesegenuss!