Was hat Sie dazu inspiriert, diesen Roman zu schreiben? Haben Sie eine persönliche Verbindung zu der Geschichte?
Ich bin Dozentin an einer Hochschule in Dänemark mit Studierenden aus der ganzen Welt. Diese sagen oft, dass ich so viel Glück habe, dass es hier so ein großartiges Sozialsystem und gute Gehälter gibt. Wenn ich sie allerdings frage, warum das so ist, haben sie keine Ahnung. Viele wissen nicht, was eine Gewerk-schaft ist und dass ein Sozialsystem nicht einfach so entsteht, sondern das Ergebnis langjähriger Streiks, Aufstände und Demonstrationen ist. So kam mir die Idee, einen Roman über diese Bemühungen zu schreiben und darüber, wie hart Frauen um ihre Rechte kämpfen mussten.
Ich habe zwar keine Tante oder Großmutter, die in Rubens Tuchfabrik gearbeitet hat, aber ich bin 62 Jahre alt und wie bei vielen Dänen ist es auch bei meiner Familie nicht allzu viele Generationen her, dass sie arm war. Mein Großvater mütterlicherseits war ein schwedischer Forstarbeiter ohne große fi-nanzielle Mittel, der sich das Ticket nach Amerika nicht leisten konnte und deshalb nach Dänemark auswanderte. Mein Großvater väterlicherseits war der erste in seiner Familie, der eine Ausbildung ab-solvierte – was nur deshalb möglich war, weil er abends nach der Arbeit dafür lernte. Eine weitere Ge-neration verging, bevor die Frauen in der Familie eine höhere Ausbildung als die Grundschule erhielten.
Anna Lindenbaum organisierte den ersten Arbeiterinnenstreik bei Rubens und ist die reale Grundlage für Ihre Protagonistin Anna Christensen. Wann sind Sie auf Anna Lindenbaums Geschichte und die Fabrik Rubens gestoßen?
Ich suchte nach einer Fabrik in Kopenhagen, in der in den 1880er Jahren viele Frauen beschäftigt waren. Die Tuchfabrik Rubens war das Unternehmen, das zu dieser Zeit die meisten Frauen angestellt hatte, und da dort auch der erste große Frauenstreik stattfand, hatte ich keine Zweifel, dass hier die Handlung des Buches spielt. Auf Anna Lindenbaum bin ich gestoßen, als ich gerade mit meiner Recherche anfing, aber nirgendwo konnte ich mehr als eine gelegentliche Erwähnung von ihr finden.
In Ihrem Buch ist auch die Schere zwischen Arm und Reich ein großes Thema. Wie viel hat sich hierbei bis heute tatsächlich in Dänemark geändert?
Seit 1885 – das Jahr, in dem auch Die Frauen von Kopenhagen beginnt –, ist viel passiert. Die Arbeite-rinnen und Arbeiter organisierten sich selbst, und am Anfang ging es erst langsam voran. Allmählich jedoch wurden bessere Löhne und Arbeitsbedingungen ausgehandelt. 1907 wurden unter anderem Ar-beitslosenfonds von den Gewerkschaften eingerichtet und verwaltet – diese allerdings wurden vom Staat unterstützt. 1930 konnte ein Arbeitnehmer ein halbes Jahr lang Arbeitslosengeld erhalten. Vor 25 Jahren war Dänemark im westlichen Raum das Land, in dem die geringste Ungleichheit bestand. Dies hat sich jedoch ein wenig geändert, seit wir 2001 die erste neoliberale Regierung erhalten haben.
Dänemark zählt mittlerweile zu den Ländern mit den besten Arbeitsbedingungen (vor allem auch für Frauen). Hat die Frauenarbeiterbewegung den Grundstein dafür gelegt?
Daran gibt es keinen Zweifel. Ein langer Mutterschaftsurlaub oder die sogenannte „Kinderbetreuungs-garantie“, die bedeutet, dass jedes Kinder einen Platz im Kindergarten bekommen kann, geben Frauen die Möglichkeit, mehr oder weniger gleichberechtigt mit Männern zu arbeiten. All dies sind Bedingun-gen, für die Frauenorganisationen gekämpft haben.
Welche Bedeutung hatte die Arbeiterbewegung in Dänemark damals und welche hat sie heute?
Die Gewerkschaften waren zusammen mit den Sozialdemokraten absolut entscheidend für den Aufbau des Sozialsystems in Dänemark. Viele Jahre lang war es an vielen Arbeitsplätzen völlig inakzeptabel, nicht Mitglied einer Gewerkschaft zu sein. Leider ist dies nicht mehr der Fall – Individualismus, Priva-tisierung und verstärkter Wettbewerb haben sich hier negativ ausgewirkt. Die Gewerkschaften spielen jedoch nach wie vor eine wichtige Rolle bei den Verhandlungsgehältern und Arbeitsbedingungen.
Ihre Protagonistinnen Nelly und Anna sind selbstbewusste Frauen, die für Ihre Rechte einstehen und dabei nicht dem damaligen Stereotyp entsprechen – heute würden wir sie Feministinnen nennen. Denken Sie, dass die Reise des Feminismus jemals enden wird?
Nein, die Reise des Feminismus wird nie enden. Sie wird neue Formen annehmen und neue Inhalte haben (beispielsweise die #MeToo-Debatte), aber niemals enden. Die Ausprägungen des Feminismus hängen sehr davon ab, wo dieser stattfindet. An einigen Orten auf der Welt hat die Reise gerade erst begonnen.
Welche Bedeutung hat der feministische Aktivismus für Sie?
Für mich persönlich sind die größten Elemente des feministisches Aktivismus die Art und Weise, wie ich unterrichte und meine Interaktion mit Studentinnen aus Asien, Afrika, Lateinamerika und anderen Ländern. Manchmal fragen sie mich, wenn sie Hilfe und Rat benötigen, um ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und nicht nur den Wünschen ihrer Eltern zu folgen – zum Beispiel in den Bereichen, wann, wie oder ob sie heiraten oder was sie studieren sollen. Ich unterrichte ein Fach namens Green Activism und es ist interessant, dass es weit mehr weiblich als männliche Studierende gibt, die dieses Fach wählen. Es scheint, als hätten sich Green Activism und Feminismus zusammengetan.