Rezension zu "Aus meinem Leben" von Giacomo Casanova
Mein Leben ist mein Stoff, mein Stoff ist mein Leben.
Seine Liebesabenteuer machten ihn zur Legende; oftmals wird er zu Unrecht darauf reduziert. Casanova entwarf im Alter von 64 Jahren die Niederschrift seiner Memoiren und blickte auf ein spannendes Leben zurück. Beginnend mit seiner Abstammung und Geburt im Jahre 1725, beschreibt er sowohl das aristokratische als auch das bürgerliche Leben des 18. Jahrhunderts und erzeugt dadurch ein ausführliches Gesellschaftsbild. Da er im Laufe seines Lebens - das keinesfalls geradlinig, sondern von Gefängnisstrafe und ständiger Flucht geprägt ist - auf viele Herrschern und bedeutende Zeitgenossen, wie bspw. Katharina die Große oder Voltaires, stieß, stellen seine Schriften ebenfalls ein kulturgeschichtliches Zeugnis dar.
Ich habe diese Erinnerungen nicht für die Jugend geschrieben; denn diese muss in der Unwissenheit erhalten werden, damit sie nicht zu Fall komme.
Wer eine Aneinanderreihung von lüsternen Szenen erwartet, wird enttäuscht sein. Die Affären sind aus heutiger Sicht eher prüde umschrieben. Im Vordergrund scheint Casanovas Suche der Schönheit abseits der Norm zu liegen, seine Verführungskünste entspringen rhetorischer Natur: das Ohr der Frauen als Spielfeld.
Indem ich mir die genossenen Freuden ins Gedächtnis zurückrufe, erneuere ich sie und genieße ihrer zum zweiten Mal; der Leiden aber, die ich ausgestanden habe und die ich jetzt nicht mehr fühle - ihrer lache ich.
Es ist eine Freude, diesem faszinierenden Lebenskünstler, der mit Verschwendungssucht und ohne eigenes Vermögen immer wieder leichtfüßig auf die Beine kommt, wenn er fällt, zuzuhören, seinen heiteren schwungvollen Schilderungen der Affären zu genießen und mit ihm zu bangen, wenn er über existentiellen Krisen und Dunkles sinniert. Seine Probleme und Ansichten wirken überraschend modern, seine Schicksalsschläge berühren, seine Lebensfreude und Leichtigkeit sind ansteckend.
Nicht immer jedoch wirkt Casanova sympathisch: Betrügereien und rücksichtsloses Verhalten stoßen beim Lesen manchmal sauer auf, manchen Casanova aber gleichzeitig menschlich.
Einen Dummkopf betrügen heißt, den Verstand rächen.
Was konnte dieser Mann schreiben! Schade, dass er sich zeitlebens lediglich der Autobiographie widmete. Seine Sprache zeugt von einem kühnen Geist, sein Schreibstil wirkt formvollendet, was gewiss nicht jedermans Geschmack ist, da sie einer anderen Zeit entspringt.
Leider schleichen sich nebst großartigen Passagen auch langweilige, allzu detaillierte ein. Letztendlich ziehe ich der Gesamtbewertung – schweren Herzens - 2 volle Punkte ab, da ich die Fischer-Ausgabe leider nicht empfehlen kann. Da diese keine Gesamtausgabe ist, musste natürlich erheblich gekürzt werden – hier wurde der Text jedoch regelrecht zerstückelt, sodass der Leser manche Szenen und längere Passagen nicht oder viel zu spät einzuordnen weiß. Hier fehlt leider viel zu viel, um dem Verlauf gut und logisch folgen zu können, was ich sehr ärgerlich finde. Es scheint, als hätte man an den falschen, entscheidenden Stellen massiv gekürzt und das Hauptaugenmerk auf Nebensächlichkeiten gerichtet. Schade, schade.
Casanovas Werk möchte ich somit keinesfalls, sondern die Ausgabe kritisieren. Ob die Reclam-Ausgabe besser gekürzt wurde, kann ich nicht sagen – ich möchte lediglich von dieser abraten.
Grundsätzlich lohnt sich der Blick in Casanovas Leben. Seine Autobiographie möchte ich wärmstens empfehlen.