Hat Simi bisher anregende, eher klassische Kriminalromane verfasst, so weist er mit seinem neuen Buch nach, dass auch über dieses Genre hinaus die genau beobachtete, beklemmende Darstellung psychologischer Entwicklungen zu seinen Stärken gehört.
Psychologische Entwicklungen, psychologische Spannungen auf allen Ebenen des Romans. Zwischen den Beteiligten, zwischen Mann, Ehefrau, Geliebter, Kollegen, Geschäftspartnern. Zur Tochter (Töchter?).
Jede der Beziehungen und ihrer Entwicklungen ist intensiv gestaltet. Überall lauert ein hintergründiges Verderben, eine Strategie, eine Intrige, ein Plan, der den Betrachter unweigerlich mit hinein nimmt in die Fragen, was genau und wie da was passiert und wohin das führt.
Denn eines ist klar, die Hauptperson des Romans, Furio Guerri ist gefährlich. Unberechenbar. Auf einer „inneren Schräge“, die von Seite zu Seite mehr Fahrt aufnimmt. Was Furio Guerri im Übrigen durchaus weiß.
„In meinem zweiten Leben bin ich Furio Guerri, das Monster“.
Aber was genau ist überhaupt das „erste Leben“? Wo beginnt, wie grenzt sich im Buch das „zweite Leben“ ab?
Das ist gerade die Kunst Simis, alles verbunden nebeneinander stehen zu lassen. Den Leser darauf hinzuführen, dass jener Guerii etwas Schreckliches getan hat (oder tun wird?), dass er verurteilter Verbrecher ist, dass er Familie hat (oder hatte?), dass er die Beziehung zu seiner Tochter (Töchter?) sucht, dass er emotional kühl auf vieles reagiert (die literarische Angestellte eines kleinen Kunstverlages, die Lehrerin an der Schule), dass Sex ihn distanziert
hält und dennoch stattfindet (mit Grund, wie sich jeweils herausstellen wird), dass er ebenso kühl andere in offene Messer laufen lässt und, im Gesamten, eine wandelnde, tickende Zeitbombe ist.
Was der Leser im Übrigen lange Zeit mehr ahnt als sieht, mehr in der Vorahnung kommender Ereignisse Spannung erfährt bis fast zu letzt. Und dann eine brutale Katharsis erlebt. Die noch lange nicht das Ende der Geschichte bedeutet.
Hin- und hergerissen ist man, ob man die strategische Brillanz des Guerri anerkennend begleitet (in der sich die Fähigkeit Simis niederschlägt, nichts ohne hintergründigen Plan im Buch geschehen zu lassen und den Leser ein um das andere Mal mit diesen verdeckten Strategien überrascht zurückzulassen), oder mit morbider Faszination das Unheil der jungen Familie (schöne Frau, süßes Kind, treu schaffender Mann und Vater) Schritt für Schritt, Dunkles ahnend und psychologisch überzeugend dargestellt, auf sich wirken lässt.
Vielschichtig, dicht, sprachlich präzise und psychologisch überzeugend, dabei hoch spannend, so stellt sich der neue Roman von Simi dar. Den er allein aus der "Innensicht" seiner Hauptperson ablaufen lässt und so den Leser mit hinein nimmt in die paradoxe und gefährlich assoziative Gefühls- und Gedankenwelt dieses Mannes.
„Aber glaub mir. Wenn Du in einem anderen Menschen nur Dich selbst liebst, wirst Du ihn irgendwann auch so hassen, wie man nur sich selbst hassen kann“. Was Simi Seite für Seite hervorragend und in den verschiedenen Ebenen des Romans ineinander fließend darstellt. Eine uneingeschränkt zu empfehlende Lektüre.