Um aus der Tristesse seines Elternhauses in Mailand zu entfliehen, nimmt der beinahe 30jährige Leo Gazzarra einen unbedeutenden Job als Korrespondent bei einer medizinisch-literarischen Zeitschrift in Rom an. Die mäßige Bezahlung nimmt er gerne inkauf, wichtig ist ihm das Flair der Stadt und die Nähe zum Meer. Doch bald wird das Büro geschlossen und Leo ist ohne Einkommen, Gelegenheitsjobs halten ihn nun über Wasser. Von Freunden, die beruflich einige Zeit im Ausland leben müssen, darf er die leer stehende Wohnung benutzen und kann auch deren Alfa Romeo übernehmen. Jetzt kann er sich ganz dem Dolce Vita hingeben, an der Piazza Navona herumhängen, das Nachtleben der Stadt genießen, betrunken durch die Bars ziehen und die Tage verkatert am Strand von Ostia vertrödeln. Er lernt Arianna kennen und lieben. Die junge Frau ist exzentrisch und labil, sie lockt ihn immer wieder an, um ihn gleich wieder wegzustoßen, denn sie hat andere Pläne. Sie ist auf der Suche nach einem reichen Villenbesitzer, mit einem Verlierer wie Leo sieht sie keine Zukunft. Als auch noch sein bester Freund stirbt, verliert Leo jeden Halt …
Gianfranco Calligarich, geb. 1947 in Asmara/Eritrea, ist ein italienischer Schriftsteller und stammt aus einer Triester Familie. Er wuchs in Mailand auf, zog dann nach Rom, wo er als Journalist und Drehbuchautor arbeitet. Die Originalausgabe seines Romans „Der letzte Sommer in der Stadt“ erschien bereits 1973, wurde aber jetzt erst ins Deutsche und in weitere zwanzig Sprachen übersetzt.
Gleich zu Beginn des Romans sitzt Leo in seiner Lieblingsbucht am Meer, wo wir ihn auch am Ende der Geschichte wieder antreffen. Dazwischen erzählt er uns über seine Zeit in Rom, seine Erlebnisse, seine Hochs und Tiefs. Wir erfahren vom Zauber Roms, von Sehnsüchten und Wunschträumen – und von gescheiterten Existenzen. Wir begleiten ihn in durchzechten Nächten und an sonnenheißen Tagen, treffen vermeintliche Freunde und teilen mit ihm Schicksalsschläge und psychische Probleme.
Der Schreibstil des Autors ist ausgezeichnet, sehr intensiv und voll poetischer Sehnsüchte. Im Ich-Erzähler kann man einiges aus der Vita Calligarichs erkennen, auch er zog von Mailand nach Rom, um sich dort als Autor zu etablieren. Sehr vielschichtig und differenziert, mit all ihren menschlichen Schwächen und Fehlern, sind die handelnden Personen dargestellt. Die Beschreibung der wunderschönen Stadt, der romantischen Bucht am blauen Meer und der südländischen Atmosphäre weckt die Sehnsucht nach Urlaub und Abenteuer, die aber durch die Melancholie und Tristesse, die das ganze Buch unterschwellig durchzieht, wieder gemildert wird.
Fazit: Ein wunderbarer Roman, ein kleines Meisterwerk, das wiederentdeckt und nun endlich ins Deutsche übersetzt wurde – empfehle ich gerne weiter!