Rezension zu "New York City Nights" von Gillian Hunter
„Vielleicht tritt die Liebe ein, wenn es für einen anderen und einen selbst in Ordnung ist, dass man ist, wie man ist.“
( Peter Høeg, Das stille Mädchen )
Ich habe mich mit Gillian Hunters Roman „New York City Nights“ auf ein für mich neues Gebiet gewagt. Eigentlich lese ich weder Krimi noch Thriller und ich greife zwar zu Liebesromanen, aber dann eher bedingt erotischen. Gillian Hunters Buch, das dem Genre Romance Thrill zugeordnet ist, hat mich neugierig gemacht, einfach einmal ein für mich neues Genre zu testen und zu sehen, welche Wirkung es auf mich haben würde.
Inhalt:
Claire Louise Sparrow hat es nicht immer leicht gehabt. Als Teenager dürr und ungelenk wurde sie von ihren Mitschülern verspottet und vom verhassten Stiefvater drangsaliert. Bis aus dem hässlichen, gequälten Entlein ein wunderschöner, selbstbewusster Schwan wurde. Jetzt liegen ihr die Männer reihenweise zu Füßen und Claire kann unter ihnen auswählen.
Kaum jemand weiß, dass die Halbtagsstelle als Bibliothekarin in der New York Public Library ihr nur als seriöse Fassade dient. Ihr wahres Ich zeigt sie ausschließlich nachts, wenn sie als Escort-Lady „Rose“ gut betuchten Männern Gesellschaft leistet. Stimmt die Chemie, gesteht Claire ihren Kunden hin und wieder auch mal mehr als nur ihre Begleitung zu. Bei einem ihrer Aufträge lernt sie den geheimnisvollen, texanischen Geschäftsmann Chase Richards kennen, der wie ein Orkan über sie hinweg fegt und in ihr eine nie gekannte Leidenschaft weckt. Er ist dominant, fordernd und ganz und gar nicht gewillt, Claire mit anderen Männern zu teilen.
Immer mehr gerät Claire unter Druck, denn nicht nur Chase verfolgt sie erbarmungslos, sondern auch Sam Lawson - leitender Ermittler der Mordkommission. Der Detective hält sie für schuldig, zwei ihrer ehemaligen Kunden ermordet und grausam verstümmelt zu haben ...
Meinung:
Obwohl es sich hier um einen Roman handelt, der vom Inhalt her sicherlich polarisiert, bin ich zunächst völlig unvoreingenommen an die Geschichte herangegangen und habe sie einfach wirken lassen. Ich gestehe, ich war doch positiv überrascht, wie gut sie mich unterhalten konnte.
Dies ist zunächst Gillian Hunters wunderbarem Schreibstil geschuldet, der sehr flüssig zu lesen ist und den Leser in seiner durchaus sehr bildhaften Beschreibung sofort in eine Situation wirft, der man gespannt und interessiert folgt. Schritt für Schritt lässt die Autorin uns an Claires Welt als Escort-Lady Rose teilhaben, die in dieser zweiten Identität nicht nur ihre eigenen Leidenschaften ausleben kann, sondern sich damit auch finanziell ein besseres Leben zu ermöglichen versucht. Zunächst lernen wir eine selbstbewusste junge Frau kennen, die es versteht den Reiz, den sie auf Männer ausübt auch einzusetzen, ohne in irgendeiner Form billig zu wirken. Denn sie versteht es, die über die Begleitung ihrer Kunden hinausgehenden Dienste nicht wahllos und gegen zusätzliche Bezahlung anzubieten, sondern ihren eigenen natürlichen Bedürfnissen zu folgen. Dabei setzt sie auf ihre natürliche Ausstrahlung, ein hohes Maß an Intelligenz und Schlagfertigkeit und eine durchscheinende Verletzlichkeit, die bei den Männern sofort einen Beschützerinstinkt weckt. Wie viele Verletzungen und traurige Erlebnisse wirklich hinter Claires Fassade stecken, vermag allerdings niemand zu ahnen. Denn diese Seite weiß Claire gut zu verbergen. Mir war Claire auf Anhieb sympathisch. Eine Figur, die nicht in dem Selbstmitleid ertrinkt, im Leben schon so viele schmerzliche Erlebnisse erfahren zu haben, sondern den Mut hat, etwas aus sich zu machen. Sie nutzt ihre innere Stärke und ihre Ausstrahlung, um sich ihre Träume im Leben verwirklichen zu können. Vor allem aber hat sie sich ihre Neugier bewahrt, auch einmal etwas Ungewöhnliches zu probieren. Ich war sehr gespannt, was passieren würde, wenn dieses „sichere“ Leben, dass sie sich aufgebaut hat, plötzlich bröckeln würde. Denn eines hat sich Claire immer verwehrt, um nie wieder leiden zu müssen. Sie lässt keine Gefühle in ihr Leben. Was passiert also, wenn ihre Existenz mit plötzlich auftretenden Morden an ihren Kunden bedroht ist und auch noch jemand in ihr Leben tritt, der unverhofft genau diese Gefühle in ihr auslöst, die sie nie an sich heranlassen wollte? Das gewisse Durcheinander, dass in Claires Kopf entsteht, wurde sehr deutlich. Ob es immer die richtige Wahl ist vor seinen Gefühlen davonzulaufen, mit dieser Frage musste sie sich zwangsläufig auseinandersetzen.
„ Manchmal muss man zurückblicken, um vorwärts zu kommen.“
(Voyager, Folge "In Furcht und Hoffnung")
Hier tritt der männliche Gegenpart Chase in das Geschehen ein. Selbstsicher, leicht arrogant und sich seiner Wirkung auf Frauen absolut bewusst, hat er doch Vorlieben, die das zarte Geschlecht in gewisser Weise überfordern. Für ihn steht daher fest, die passende Frau in seinem Leben gibt es nicht. Und falls doch, wird er sich an ihre Fersen heften. Auf den ersten Blick scheint Chase hart, unsympathisch und arrogant auf den Leser zu wirken. Ich bin fest davon überzeugt, manch einen wird er beim Lesen in seinen Vorlieben und seiner Beharrlichkeit abschrecken. Mich hat er auf seine Seite gezogen. Denn werfen wir einen genauen Blick in seine Gedankenwelt, dann entdecken wir einen Mann, der neben seiner harten, auch eine weiche Seite hat. Der ein Bedürfnis nach Nähe entwickelt, dass er lange zu leugnen versucht und der auch an der Gefühlswelt seines Gegenübers interessiert ist. Auch wenn seinen Methoden eben diese herauszukitzeln manchmal fragwürdig sind. Allerdings macht ihn hier sein außergewöhnlicher, oft sarkastischer Humor schon wieder mehr als sympathisch. Genauso, wie die kleinen Überraschungsmomente, bei denen er plötzlich einer zarten Frau gegenüber doch hilflos ausgeliefert ist und sich erstaunt eingestehen muss, eben doch nicht so überlegen zu sein. Ich musste das ein oder andere Mal gewaltig schmunzeln, wenn der unwiderstehliche Chase erkennen muss, dass ihm Claire wieder durch die Lappen gegangen ist und immer wieder gezwungen ist, neue Strategien zu suchen, um an sein Ziel zu gelangen. Ich mochte den Kerl einfach.
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive von Claire und Chase erzählt. Das macht es dem Leser einfach, in ihre jeweilige Gefühlswelt einzutauchen und mit beiden mitzufiebern. Wir sind jederzeit im Bilde, was in den jeweiligen Gedanken der Protagonisten vor sich geht und schaffen es dadurch leicht, uns mit ihnen in gewisser Weise zu identifizieren. Ich muss jedoch hinzufügen, dass mir das bei Chase mit seinen Ecken und Kanten sehr leicht gefallen ist, mit ihm zu fühlen, während ich mir bei Claire gewünscht hätte, ihre innere Zerissenheit und die Auswirkungen der Verletzungen aus ihrer Vergangenheit, wären noch deutlicher herausgearbeitet worden. Sie war mir ein wenig zu perfekt, um wirklich mit ihr zu leiden.
„Um das Herz und den Verstand eines anderen Menschen zu verstehen, schaue nicht darauf, was er erreicht hat, sondern wonach er sich sehnt.“ (Khalil Gibran)
Die Handlung, die dem Roman zugrunde liegt wird die Leserschaft spätestens in zwei Parteien spalten. Denn obwohl sie fesselt und ein gewisses Maß an Spannung enthält, so liegt der Fokus eindeutig nicht auf den Krimi-Elementen, sondern auf der Anziehung der Protagonisten und deren Gefühlen, die sich entwickeln. Eingefleischte Krimi-Leser werden sicherlich enttäuscht sein, dass der Plot um die Morde sich zwar unterschwellig durch die Handlung zieht, aber die eigentliche Spannung erst gegen Ende zum Tragen kommt, dann aber in schnellen Perspektivenwechseln doch noch sehr dramatisch wird. Allerdings muss ich zugeben, ich hatte schon relativ früh eine Ahnung, wer hinter den Morden steckt. Für mich, als Krimi-Verweigerer, der eher auf emotionaler Ebene liest, hat es sich als genau das richtige Maß herausgestellt. Mich hat es gefesselt und fast in einem Zug an dem Buch festhalten lassen, die Entwicklung der Beziehung zwischen den Charakteren zu verfolgen, die zunächst auf erotischer Anziehung basiert und sich schleichend auf der Gefühlsebene wiederfindet. Immer wieder habe ich mich beim Lesen gefragt, wie die Charaktere es letztendlich bewerkstelligen emotional zueinanderzufinden. Die oftmals angeprangerten erotischen Szenen, fand ich entgegen meiner Befürchtung nie als an Häufigkeit übertrieben oder geschmacklos. Im Gegenteil, die Art, wie sie dargestellt wurden war prickelnd, manchmal mit wohldosiertem Humor und mit Stil erzählt. Selbst eine Szene, nach einem Besuch im Swingerclub wurde für mich geschmackvoll beschrieben, ohne mir die Schamröte ins Gesicht zu treiben. Und dann bin ich auch gerne bereit, mich an ein Buch zu wagen, dass ein höheres Maß an Erotik enthält, als ich eigentlich gewohnt bin. Wie die Autorin die einzelnen Fäden der Kriminalgeschichte und der Beziehung der Protagonisten letztendlich zusammenführt, fand ich dann sehr gelungen.
Was mich begeistert, ist der Humor, mit dem Gillian Hunter die Geschichte immer wieder auflockert. Ob es der Schlagabtausch zwischen Claire und Chase ist, eine ungewöhnliche Wette, oder Chase Methoden seinem Schwager eins auszuwischen. Gillian Hunter erzählt mit einem Augenzwinkern, das mich oft schallend lachen ließen. Auf sprachlicher Ebene weiß die Autorin einfach mit Worten umzugehen.
Sehr gelungen waren auch die kleinen und größeren Überraschungsmomente, die sich durch die Handlung gezogen haben und der Geschichte immer wieder den richtigen Schwung geben. Besonders Chase hat mich am Ende doch mit seinem „Hintergrund“ erstaunt, ohne zu spoilern.
Fazit:
„New York City Nights“ ist ein Buch, dass mich sehr gut unterhalten hat, mit der richtigen Mischung an Spannung, prickelnder, geschmackvoller Erotik und interessanter Liebesgeschichte und sehr viel Humor. Auch wenn mir bewusst war, wie es enden würde, so habe ich doch gebannt die Entwicklung der Geschichte verfolgt und mit den Charakteren gefiebert. Allerdings habe ich mir noch ein wenig mehr Gefühlstiefe der Charaktere erhofft, die ich aus einem neueren Werk der Autorin gewohnt bin, in dem die Protagonisten mich zutiefst berührt haben. Trotzdem ist „New York City Nights“ durchaus lesenswert, wenn man nicht auf Kriminalromane fixiert ist und sich statt dessen mit der Aussage auseinandersetzt, dass man seinen Leidenschaften folgen sollte und lernen muss seine Vergangenheit loszulassen, damit das Glück ins eigene Leben finden kann.
„Life is like a door: If it is written PULL , please don`t push“ ( Paulo Coelho)