Rund ums Buch:
Titel: Die Brille mit dem Goldrand
Autor: Giorgio Bassani
Verlag: Wagenbach
Buch: Taschenbuch
Seiten: 112
ISBN: 978-3803 128034
Preis: 10,00 €
Cover:
Das wunderbar gestaltete Cover aus der „blauen“ Reihe des Wagenbach Verlags, gefällt mir ausgesprochen gut. Sechs Bücher – dieses ist eines davon – deren Auftritt ins Auge springt. Vor allem durch die gelbe Kontrastfarbe, die ein Bild (Mann mit Brille, der aus einem Fenster schaut) und Titel sowie Autor darstellt. Für mich eine sehr gelungene Reihe.
Inhalt:
Der allseits beliebte Arzt Fadigati gerät in den Blickwinkel der Menschen des italienischen Ortes Ferrara, als er in der Zeit des aufkommenden Antisemitismus sich in einen jungen Mann verliebt und damit alle Sympathien für seine Mitmenschen verspielt. Erzählt wird das ganze aus der Sicht eines jüdischen Studenten, der aufmerksam diese Entwicklung beobachtet und verarbeitet.
Meine Meinung:
Dieses Buch ist eine meisterhafte Darstellung, wie Menschen sich drehen und winden, mit der Masse mitlaufen, weil etwas nicht nach ihren Vorstellungen und Ansichten ist. Die ehrwürdige Gesellschaft sieht den Arzt, der alle behandelt, keine Unterschiede bei seinen Patienten macht, als Mitglied ihrer Kreise und wundert sich nur, dass Fadigati nicht verheiratet ist. Als er sich jungen Studenten im täglichen Bahnverkehr nach Bologna öffnet und seine Vorliebe für das gleiche Geschlecht bekannt wird, ist das Bürgertum entsetzt und es beginnt eine bedrückende Abneigung, als der Arzt von seinem jungen Lover im Sommerurlaub an der Adria auch noch in aller Öffentlichkeit bloß gestellt wird. Das vermeintliche Opfer, immer geschätzt, ist nun der „Verstoßene“ und der Erzähler, jüdischer Student aus gutem Haus, schafft es, die Wirren und Leiden in einer tiefen und sehr mitreißenden Sprache darzustellen. Bassani, der Ich-Erzähler, hat das Buch bereits 1958 veröffentlicht und die Themen des Antisemitismus, Judentum und Homosexualität sind auf diesen wenigen Seiten unglaublich tiefgehend beschrieben. Doch die quasi Freundschaft, zwischen dem jüdischen Erzähler, der auch in diesen Zeiten Ablehnung und Verfolgung kennen lernt, und dem homosexuellen Arzt, der immer versucht, er selbst zu sein und nur Negativität erfährt, ist am Ende des Buches obsolet, denn wie man vermutet (Vorsicht Spoiler) ist die letzte Zeile des Buches „Doktor Fadigati ist tot“. Es ist nicht klar gesagt, aber man weiß es, dass er sich im Po umgebracht hat.
Das Buch ist ein kleines, stilles und doch so tiefgehendes Werk, in schöner Form geschrieben und trotzdem lässt es den Leser bedrückt zurück, denn wir wissen alle, dass die Themen heute genauso aktuell sind und Bassini es schafft, den Zeigefinger zu erheben und Aufmerksamkeit zu fordern. Politisch und moralisch ein Buch unserer Zeit!
Fazit:
Ein ganz besonderes Buch aus der Vergangenheit, was mehr Aktualität besitzt, als es viele andere heute haben. Großartig!