Cover des Buches Die Tochter des Malers (ISBN: 9783746631820)
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Rezension zu Die Tochter des Malers von Gloria Goldreich

Die Frau an Chagalls Seite

von YukBook vor 7 Jahren

Rezension

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YukBookvor 7 Jahren

Der Aufbau Verlag hat vor einiger Zeit eine Romanbiografie-Reihe über Frauenfiguren gestartet, die im Schatten von großen Künstlern stehen – ein Thema, das mich stark fasziniert. In „Madame Picasso“ von Anne Girard war es Eva Gouel, die mit den schwierigen Launen eines exzentrischen Künstlers zu kämpfen hatte. Nun machte ich Bekanntschaft mit Ida Chagall. In "Die Tochter des Malers" zeichnet Gloria Goldreich das Porträt einer starken und doch ambivalenten Frau, die während der Judenverfolgung in Frankreich eine unglaubliche Willens- und Tatkraft entwickelt, ihre mentale Abhängigkeit von ihrem dominanten Vater jedoch nicht ablegen kann.

Schon als junge Frau beugt sie sich stets dem Willen ihres Vaters, auch dann, als er sie zwingt, ein uneheliches Kind von ihrem Geliebten Michel abzutreiben und ihn zu heiraten. Die Autorin versteht es, die typischen Ängste und Sorgen der Emigranten, die ständig auf der Flucht waren, spürbar zu machen. Idas Mutter hat sich zwar nach der Flucht aus Russland und aus Berlin nun ihr Zuhause in Paris so schön wie möglich eingerichtet, doch sie lebt immer noch in der Vergangenheit und klammert sich an die friedlichen Tage im russischen Dorf Witebsk. Marc Chagall trauert ebenfalls der glücklichen Zeit nach und verarbeitet seine Gedanken und Gefühle in seinen Gemälden. Nun verstehe ich auch, was ihn sowohl zu den düsteren als auch fantasievollen und verträumten Motiven antrieb. Chagall malte die Landschaften der Heimatlosen, Häuser und Räume ohne Böden, umherirrende Tiere und schwebende Liebende. Seine Werke werden in Paris begeistert aufgenommen. Schriftsteller, Dichter, Intellektuelle und Diplomaten treffen sich regelmäßig zu Salonabenden in ihrem Haus. Während Marc und Bella ihre Freundschaften mit der intellektuellen und künstlerischen Elite von Paris kultivieren, arbeitet sich Ida zielstrebig in die Kunstszene ein und erobert mit ihrem Charme und ihrer Ausstrahlung nicht nur die Pariser, sondern auch die Londoner Gesellschaft.

Währenddessen spitzt sich die Lage für die jüdische Bevölkerung zu. Faschisten und Nationalsozialisten gelangen an die Macht. Der Einmarsch der Deutschen in Frankreich ist zu befürchten und Ida drängt ihre Eltern, sich in Sicherheit zu bringen. Ihr sturer Vater ist jedoch so von sich und seinem Ruf als Künstler überzeugt, dass er keine Notwendigkeit sieht zu flüchten. Zuflucht sucht er eher in seinem künstlerischen Schaffen, das ihm wichtiger ist als menschliche Einzelschicksale. So begleiten wir Ida auf einem hürdenreichen Weg in mannigfaltigen Rollen: als Tochter, Modell, Kunsthändlerin, Sekretärin und Beschützerin. Trotz einiger Wiederholungen gelingt es Gloria Goldreich, diese für Außenstehende kaum nachvollziehbare gegenseitige Abhängigkeit zu verdeutlichen. „Die Frau an Chagalls Seite“ – so hätte man Ida und den Titel dieses Buches auch ohne weiteres nennen können.

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