Ich habe bisher alle Bücher von Graham Norton gelesen und fand sie alle gut. Bei "Heimweh" bin ich jedoch eher hin- und hergerissen. Es ist definitiv kein 5-Sterne-Buch, auch wenn viele scheinbar dieser Meinung sind. Von allen drei Norton-Büchern, die es bisher auf Deutsch gibt, ist dieses allerdings das schwächste.
Die Geschichte hat jedoch viel Potenzial, ebenso wie die Charaktere. Der Schreibstil ist angenehm und lässt sich leicht lesen und trotzdem fehlt das gewisse Etwas.
Das liegt meiner Meinung an verschiedenen Punkten:
1. Die Charaktere haben zwar Potenzial (s. oben), bleiben aber eher an der Oberfläche und sind auch nicht wirklich sympathisch; auch nicht Connor, der Protagonist, da dieser eigentlich hauptsächlich sich bemitleidet (ohne etwas an seiner Situation zu ändern) und nie wirklich erwachsen wird. Das nervt auf die Dauer.
2. Die Geschichte wird größtenteils "erzählt", d.h. vieles wird durch innere Monologe und erlebte Rede wiedergegeben; es gibt wenig Dialog, das meiste spielt sich in den Köpfen der Charaktere ab. Großen Raum nehmen auch Rückblenden ein, die dem Leser erklären, was zwischen den Zeitsprüngen, die es reichlich gibt, passiert ist. Dies zusammengenommen macht die Geschichte träge, schleppend und langatmig.
3. Hinzu kommt, dass eigentlich auch nicht viel passiert; es fehlen Höhen und Tiefen, die den Leser/die Leserin packen und zum Weiterlesen animieren würden (s. Punkt 2).
4. Der Roman weiß nicht so genau, was er eigentlich sein will: Ein Familienroman? Eine Coming-of-age-story? Eine Coming-out-Geschichte eines Homosexuellen? Die Aufarbeitung eines Traumas aus der Jugendeit? Er ist vieles und vermischt vieles. Das ist nicht optimal.
5. MINI-SPOILER: Was dem Ganzen aber echt die Krone aufsetzt und die Geschichte wirklich unglaubwürdig macht, ist, dass sich am Ende des Romans fast alle Männer als schwul herausstellen. SPOILER-ENDE.
"Heimweh" ist kein schlechter Roman, aber er hat für mich zu viele Schwachstellen, um als überdurchschnittlich zu gelten. Es ist definitiv kein 5-Sterne-Buch. Vielleicht bin ich aber auch einfach zu anspruchsvoll.
*3,5 Sterne