Greg King

 4,5 Sterne bei 2 Bewertungen
Autor*in von Alexandra, The Fate of the Romanovs und weiteren Büchern.

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Cover des Buches Alexandra (ISBN: 9783547754018)
A

Rezension zu "Alexandra" von Greg King

Leben und Tragik der letzten Zarin
Andreas_Oberendervor 3 Jahren

Das Schicksal des letzten russischen Zaren Nikolaus' II. und seiner Familie erfreut sich seit zwei Jahrzehnten anhaltender Beliebtheit bei Autoren populärwissenschaftlicher Sachbücher und Biographien. Das Ende der Sowjetunion löste einen kleinen Romanow-Boom aus, sowohl in Russland selbst als auch im Westen. Zu den Früchten dieses Booms gehören drei Biographien der Zarin Alexandra Fjodorowna, geborene Prinzessin Alix von Hessen-Darmstadt (1872-1918). Die mit Abstand brauchbarste dieser Biographien ist die des Amerikaners Greg King, erschienen 1994. Sie ist den Werken von Elisabeth Heresch (1993) und Carrolly Erickson (2001) in vielerlei Hinsicht überlegen. Die Biographie der Zarin war Kings Erstlingswerk. Sie kam auf den Markt, als der Autor gerade 30 war. Für ein Erstlingswerk ist das Buch eine beachtliche und zum Teil auch beeindruckende Leistung, was aber nicht heißt, dass es keine Schwächen aufweist. Bedenkt man, wann das Buch entstand - in den späten 1980er, frühen 1990er Jahren -, dann muß man anerkennen, dass King sein Bestes getan hat, um anhand der damals verfügbaren Quellen und Sekundärliteratur ein plastisches, anschauliches und psychologisch glaubhaftes Bild der Zarin Alexandra zu entwerfen. Über das Haus Romanow gibt es bis heute nur wenig Literatur, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. King musste auf ältere Sekundärliteratur zurückgreifen, die aus heutiger Sicht fast durchweg als überholt zu gelten hat. An Quellen standen ihm Memoiren, Tagebücher und Briefe zur Verfügung. Von der Öffnung der russischen Archive in den frühen 1990er Jahren hat das Buch nur geringfügig profitiert (so hat King die unveröffentlichten Teile des Tagebuchs Nikolaus' II. im russischen Staatsarchiv eingesehen).

Im Großen und Ganzen ist Kings Alexandra-Biographie gelungen. King bemüht sich durchweg um kritische Distanz zu seiner Protagonistin, ohne aber in einen anklagenden oder gar gehässigen Ton zu verfallen. Wie King herausarbeitet, entwickelte Prinzessin Alix in ihrer Kindheit und Jugend jene Persönlichkeitszüge, die ihr später in ihrer Rolle als Zarin zum Verhängnis wurden: Ernsthaftigkeit, Humorlosigkeit, Melancholie, soziale Inkompetenz, Desinteresse an Repräsentationspflichten und gesellschaftlichen Vergnügungen, exaltierte Religiosität, Drang nach Abkapselung im innersten Familienkreis. In der genussfreudigen und leichtlebigen Petersburger Hof- und Adelsgesellschaft wirkte Alexandra wie ein Fremdkörper. Ihre Aufgaben und Pflichten als Gemahlin des russischen Zaren erfüllte sie nur widerwillig, was die Eliten des Reiches mit Unmut zur Kenntnis nahmen. Die Bluterkrankheit des Thronfolgers Alexej verstärkte den Drang des Zarenpaares, sich von der Außenwelt abzuschotten. Zur schweren Belastung für das Ansehen der Zarenfamilie und der Monarchie wurde Nikolaus' und Alexandras enge Beziehung zu dem dubiosen Wunderheiler Rasputin, dessen vermeintlicher Einfluss auf die Staatsgeschäfte schon bald zum Gegenstand abenteuerlicher Spekulationen wurde. Besonderes Augenmerk widmet King den Kriegsjahren von 1914 bis 1917, als der Einfluss der Zarin auf die Politik und Personalfragen am größten und schädlichsten war. Alexandra bestärkte ihren Gemahl bis zuletzt in dem Glauben, dass Russland nur autokratisch regiert werden könne und jeder Schritt in Richtung Parlamentarismus verhängnisvoll sei. Sie gehörte zum Kreis derjenigen Personen, deren Einfluss auf den Zaren besonders folgenschwer war. Die Zarin trug eine erhebliche Mitschuld am rapiden Ansehensverlust der Monarchie während des Krieges. Daran lässt King keinen Zweifel.

Kenntnisreich und farbig beschreibt King im ersten Teil der Biographie das Familien- und Alltagsleben der Prinzessin Alix in Darmstadt und die engen Beziehungen unter den zahlreichen Nachkommen der britischen Königin Viktoria, zu deren Enkelkindern die künftige Zarin gehörte. In den Teilen 2 und 3 steht das Privatleben der Zarenfamilie in den prunkvoll eingerichteten Palästen Petersburgs und des Petersburger Umlands im Mittelpunkt der Erzählung. Mitunter schwelgt King zu sehr in der Beschreibung von Zeremonien und Festlichkeiten, Gewändern, Schmuckstücken und Interieurs. Wie es einer guten angelsächsischen Tradition entspricht, streut King immer wieder wörtliche Zitate ein, um die Erzählung aufzulockern und die Akteure selbst zu Wort kommen zu lassen. Mal beruhen diese Zitate auf Briefen, mal auf Memoiren. Mit den Memoiren geht King erstaunlich unkritisch und unreflektiert um. Von Quellenkritik kann nirgends die Rede sein, und dabei müssen doch gerade Memoiren mit Umsicht und Vorsicht benutzt werden (siehe Kommentar). Genauso irritierend ist Kings Technik, nicht aus einer Quelle direkt zu zitieren, sondern Quellenzitate aus anderen Werken der Sekundärliteratur zu übernehmen. Auf diese Weise hat King u.a. das Buch "Black Night, White Snow" (1977) des bekannten amerikanischen Journalisten und Russland-Kenners Harrison Salisbury (1908-1993) ausgeschlachtet. Wer wissen will, aus welchen Quellen Salisbury die von King übernommenen Zitate genommen hat, der muss sich die Mühe machen, in Salisburys Buch nachzuschlagen. Woher (d.h. aus welcher Edition) stammt etwa der Brief vom Februar 1917, mit dem die Zarin ihren Gatten zum Durchhalten und zur Verweigerung jeglicher politischer Konzessionen aufforderte, nichtsahnend, dass er gerade abgedankt hatte (Kap. 38, Anm. 26)? Ein seriöser Autor sollte nach Möglichkeit immer direkt aus einer Quelle selbst zitieren anstatt Quellenzitate aus anderen Werken der Sekundärliteratur zu übernehmen.

Diese kritischen Bemerkungen ändern nichts daran, dass King eine einfühlsame Biographie gelungen ist, die ein überzeugendes Bild der Zarin Alexandra entwirft. King zeigt eine Frau, die in ihrer offiziellen Rolle fehl am Platze war (ebenso wie ihr Gatte, Nikolaus II.). Die Zarin erkannte die Zeichen der Zeit nicht. Sie hielt starrsinnig an einer antiquierten politischen Ordnung fest. Familiäre Tragödien ertrug Alexandra mit stoischer Haltung, und zuletzt fügte sie sich mit Gottergebenheit in ein trauriges Schicksal, das sie selbst mit heraufbeschworen hatte. Kings Buch ist noch immer der beste Ersatz für eine Biographie der Zarin Alexandra, die die Fülle der heute verfügbaren (Archiv-)Quellen ausschöpft und wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Ob es eine solche Biographie jemals geben wird, ist allerdings fraglich. 

(Hinweis: Diese Rezension habe ich zuerst im Juli 2014 bei Amazon gepostet)

Cover des Buches The Fate of the Romanovs (ISBN: 0471207683)

Rezension zu "The Fate of the Romanovs" von Greg King

Keine Trennungen mehr...das Ende der letzten Zarenfamilie
Ein LovelyBooks-Nutzervor 6 Jahren

„Wenn dieses Leben endet, treffen wir uns in einer anderen Welt wieder“, steht im Tagebuch des Zaren. „Keine Trennungen mehr, endlich vereint.“
Man kann sicher mit einiger Gewissheit sagen, daß Nikolaus II. und seine Gattin Alexandra spätestens in Jekaterinburg, ihrem letzten Exil, ahnten, daß ihre Tage gezählt waren. Die Zarin malte überall "Swastikas"- an die Wände, in ihr Tagebuch, in Bücher- als Glücksbringer. Als überaus religiöse Frau glaubte sie, daß dies ihr und ihrer Familie noch helfen könne, klammerte sich an die Worte der Bibel, orthodoxe Heilige- in jedem noch so kleinen Wort suchte sie Trost, hoffte sie, einen Strohhalm ergreifen zu können, der sie und ihre Familie vor dem Untergang bewahrt. Für Nicky und Alix, die sich liebten und eine überaus glückliche Ehe führten, war das größte Unglück getrennt voneinander zu sein. Man zählte stets die Tage, bis man wiedervereint war und, als Nicky seine Macht verlor, abdanken musste, die Familie zuerst unter Arrest im eigenen Palast gestellt wurde, dann ins erste Exil nach Tobolsk verbannt wurde, da zählte jedesmal nur das Eine- zusammensein, auch mit den Kindern.
Alix und ihre älteste Tochter litten schon körperlich und seelisch seit 1916, da beide nicht mehr als Krankenschwestern im kaiserlichen Hospital arbeiten konnten. Die Verwundeten (Generäle und Obere des Heeres) mit ihren schweren Verletzungen, Sterbende- das alles war zuviel für die beiden. Dazu kam die stete Sorge der Zarin um den bluterkranken Sohn Alexei, die politischen Unruhen im Land, der Mord an Rasputin...die Romanows fielen zuerst langsam, dann mit Wucht von der Machtposition auf die Stufe einfacher Bürger, die man all ihrer Macht beraubte. In den Wirren der Revolution waren sie nur ein Spielball und war das erste Exil in Tobolsk noch einigermaßen angenehm, so war das Leben in Jekaterinburg hinter dem großen Bretterzaun, den weißgetünchten Fenstern, mit nur einer halben bis Stunde Ausgang am Tag unter den Demütigungen der Bewacher (Bolschewiken) grauenvoll. Man beleidigte die Familie, beschimpfte sie, erniedrigte den einstigen Herrscher willentlich. Daß man ihnen neue Kleidung aus ihren Koffern verwehrte, weil sie, so die Wachen, diese nicht mehr brauchten, war sicher nur ein Wink mit dem Zaunpfahl. Ihre Ermordung war längst geplant und Greg King und Penny Wilson beschreiben die letzten Jahre und Tage der Familie historisch genau und ungeschönt. Da muss man oft innehalten, sacken lassen, denn es handelt sich auch um Quellen aus den Berichten der Bewacher. Dennoch empfehle ich das Buch jedem, der sich intensiv mit dem Fall der Familie beschäftigen möchte und die Wahrheit über ihre letzte Zeit wissen möchte- auch in allen manchmal schwer erträglichen Einzelheiten.

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