Die eine große Liebe...
von parden
Kurzmeinung: Eine ungewöhnliche Mischung aus Liebesgeschichte(n), Kunst, Esoterik und Krimi - mir persönlich zu langatmig und zu wenig spannend...
Rezension
DIE EINE GROSSE LIEBE...
Abigail Mühlberg wird von ihrem Chef, dem Inhaber einer Kunstzeitung für mehrere Wochen in das merkwürdige, historische Dorf St. Augustine geschickt. Dort soll sie den alten Bildhauer Moro Rossini interviewen und ein Buch darüber schreiben. Was Abigail als langweilige Aufgabe erschien, entpuppt sich als Abenteuer mit spannender Entwicklung, in der auch ein Kriminalfall große Bedeutung erhält. Eine fast undenkbare Liebesgeschichte wird enthüllt...
Es ist gar nicht so einfach darzulegen, um was für einen Roman es sich hier handelt. Es ist kein wirklicher Krimi, aber auch keine reine Liebesgeschichte - es ist irgendwie eine ungewöhnliche Mischung aus beidem, dazu noch verknüpft mit esoterischen und künstlerischen Elementen. Wenn man die biografischen Daten der Autorin betrachtet, sind jedenfalls die Kunst und die Esoterik eng mit ihrem eigenen Leben verknüpft, weshalb sie vermutlich hier Einzug gefunden haben.
Leider empfand ich diese Mischung für mich persönlich nicht ansprechend. Zur Esoterik habe ich keinen Zugang, und ich fühle mich zwar durchaus zur Kunst hingezogen (klassische Musik, Skulpturen, Malerei), aber wenn etwas recht abstrakt gerät, bin ich raus.
Gudrun Leyendecker beschreibt in diesem Roman immer wieder einmal Kunstwerke des Künstlers Salvatore Messina (hier im Roman: Moro Rossini) recht umfassend und detailliert, dazu die Gedanken und teilweise intensiven Empfindungen der Protagonistin Abigail Mühlberg beim Betrachten dieser Werke - und netterweise befinden sich einige der beschriebenen Bilder auch im Anhang. Dadurch können die Beschreibungen besser erfasst werden - nur konnte ich leider nicht nachempfinden, weshalb Abigail bei der Auseinandersetzung mit den Gemälden oftmals so berührt war.
Auch sonst ließ mich vieles, was Abigail im Verlauf der Handlung so überaus berührt, recht gleichgültig, so dass ich dementsprechend manche ihrer Reaktionen auch als ziemlich überzogen empfand. Für gewöhnlich fällt es mir nicht schwer, mich in Situationen und Personen hineinzudenken und -zufühlen, aber hier blieb der Hauptcharakter für mich über weite Strecken doch sehr auf Distanz. Einige Personen im Roman gewannen im Verlauf ein wenig an Profil, blieben für mich aber bis zum Schluss wenig greifbar - ich bekam einfach kein rechtes Bild von ihnen. Ich mag es, wenn ich mir Personen beim Lesen vor meinem inneren Auge vorstellen kann; das gelang mir hier leider nicht.
Und der angedeutete Kriminalfall - nun, der beschränkte sich eher auf die Auflösung eines lang gehüteten Geheimnisses. Ich habe mir notiert, dass ich bereits ab Seite 58 ahnte, wer hinter dem Verschwinden eines wertvollen Buches vor einigen Jahren steckt - und ich behielt Recht. Die Nachforschungen und Aufdeckungen zogen sich zwar durch den ganzen Roman, wollten aber keine rechte Spannung aufkommen lassen, und das Ende des Falls geriet zudem noch vollkommen unspektakulär. Für mich als Krimi- und Thrillerfan doch eine leise Enttäuschung.
Der Liebe widmet die Autorin hier im Roman ein großes Augenmerk. Im Zentrum steht die geheimnisvolle Geschichte des Künstlers Moro Rossini und seiner Adelaide, Seelenverwandte, die lange Jahre nicht zueinander finden konnten. Und auch heute noch spielt die Entfernung in ihrer Liebe eine große (oder auch gar keine) Rolle - ein Kleinod im Verborgenen. Abigail versucht hinter das Mysterium zu kommen, das ihr der Künstler nach und nach offenbart.
Daneben gibt es viele kleine andere Liebesgeschichten der Dorfbewohner, an denen Abigail mehr oder weniger großen Anteil nimmt, dazu entspinnt sich zwischen der Journalistin selbst und einem Freund Rossinis womöglich auch so etwas wie eine zarte Liaison. Alles in allem reichlich viele kleine und große Liebes- und Lebensgeschichten, und ich drohte zwischenzeitlich den Überblick zu verlieren.
Ein großer Kritikpunkt ist die Gestaltung des Romans. Das Schriftbild ist äußerst anstrengend gestaltet: die Seiten sind klein und eng bedruckt, seitlich gibt es jeweils nur einen sehr schmalen Rand, und um den Text innen auf der Seite lesen zu können, muss das Buch gegen Widerstand weiter aufgedrückt werden. Hinzu kommt, dass es weder Kapitel noch Abschnitte gibt - nur alle paar Seiten gibt es einmal einen Absatz von drei Leerzeilen. Der Eindruck von 'voll' und 'viel' zieht sich so durchs ganze Buch. Für die Augen (ich bin Brillenträger) doch ein anstrengendes Leseerlebnis.
Ich nehme doch mal an, dass auch bei 'Books on Demand' ein Lektorat vorgesehen ist? Falls ja, fiel dies m.E. in diesem Fall nicht sonderlich sorfältig aus. Abgesehen davon, dass die Handlung an sich eine deutliche Straffung vertragen hätte (ich muss beispielsweise wirklich nicht zigmal lesen, mit welchen Gedanken und Empfindungen der Hauptcharakter am Ende eines Tages ins Bett geht - oder dass er es überhaupt tut), hätten hier auch etliche Widerholungen gestrichen, umständliche Satzkonstrukte entzerrt, gestelzt wirkende Dialoge überarbeitet oder auch übersehene Fehler korrigiert werden müssen.
Das ist schade, denn diese Anhäufung von 'Unzulänglichkeiten' hinterlässt einen eher schalen Eindruck des Gelesenen. Dabei ist dem Roman anzumerken, mit wie viel Herzblut er geschrieben wurde, und dass all die angerissenen Themen für die Autorin offenbar von großer Bedeutung sind. In jedem Fall ist es ihr gelungen, eine ganz eigene Atmosphäre zu kreieren, die diejenigen Leser, die für die genannten Themen offen sind, sicher ansprechen wird.
Für mich persönlich wurden in diesem Roman zu viele Themen und Schicksale vermischt, die Handlung hätte sich besser auf weniger Punkte konzentriert. Alles in allem zu langatmig und zu wenig spannend für meinen Geschmack, aber es wird sicher auch Leser geben, denen dieser Roman zusagt...
© Parden