Cover des Buches Mein Vaterland zertrümmert (ISBN: 9783701734207)
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Rezension zu Mein Vaterland zertrümmert von Gudula Walterskirchen

1918 – 2018

von Sikal vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Volle Leseempfehlung!

Rezension

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Sikalvor 6 Jahren

Mittlerweile sind 100 Jahre vergangen seit es einen bedeutenden Einschnitt in der österreichischen Geschichte gab. 1918 – ein Jahr, in dem sich vieles veränderte, ein Umbruchsjahr.

Die Autorin Gudula Walterskirchen dokumentiert in ihrem Buch „Mein Vaterland zertrümmert“ einen Ausschnitt dieses Jahres. Sie trug zum Teil unveröffentlichte Briefe, Tagebuchaufzeichnungen und Erinnerungen zusammen und versuchte ein Bild zu zeichnen, welches den verschiedenen Ansichten der Menschen gerecht wird. Nicht nur ein Ende der Monarchie, sondern auch ein Neuanfang wird bewertet. Nicht nur ein Zusammenbruch, ein Verlust des Krieges, auch Hoffnung auf Frieden und Gerechtigkeit. Viele verschiedene Themen werden in diesen sehr persönlichen Berichten beurteilt, über einiges können wir heute nur den Kopf schütteln, manches ist durchaus auch aus heutiger Sicht verständlich.

Das Buch ist in fünf Kapitel gegliedert:

Schlachtfelder und Kriegsleid – Berichte aus dem Grauen
Die Not an der Heimatfront
Heimwehr in den Untergang
Das Reich zerfällt
Neubeginn – Trauer und Hoffnung

Die Aufzeichnungen waren ursprünglich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt und sind daher oft sehr persönlich. Sie wollen nicht rechtfertigen oder etwas beschönigen. Die Schreiber erzählen einfach von ihren Beobachtungen, ihrer Sicht der Dinge, was sie gesehen, was sie empfunden haben.

„So denke nicht nur ich, so denken wir hier alle. Wir fühlen uns in sadistischster Art schikaniert und da kann man von einem Mann nicht hoffen, dass er seine Pflicht so erfüllt, wie er es vielfach könnte. Mit solchen Truppen feiert man keine Siege.“ (Schütze Neumann)

Man merkt im Zeitverlauf wie sehr sich die Einstellung der Menschen dem Krieg gegenüber verändert, nicht nur bei den Soldaten und der Zivilbevölkerung. Auch bei den Obrigkeiten bemerkt man den Stimmungswechsel. Hier beschreibt die Autorin zwischen den Berichten immer wieder ihre Eindrücke und streut ihr Hintergrundwissen ein, so hoffte man bis Ende 1916 noch auf ein günstiges Ende des Krieges (für Österreich-Ungarn natürlich) und bereits Anfang 1917 kippte die Stimmung, was auch durch die immer schlechter werdende Versorgungslage verursacht wurde.

Als Mitarbeiter der obersten Führungsschicht schildert Schönburg-Hartenstein von den letzten Kriegstagen seiner Frau Johanna. Auch hier sieht man die Resignation und auch die Trauer, dass es das Vaterland vor dem Krieg in der Form nicht mehr geben wird. Er schildert aber auch sehr beeindruckend von dem Chaos, welches teilweise herrschte und von der Notwendigkeit zu improvisieren.

Die Historikerin Gudula Walterskirchen studierte Geschichte und Kunstgeschichte, ist als Autorin diverser Sachbücher über die Geschichte Österreichs bereits bekannt. Ihr Schreibstil ist angenehm zu lesen, sie schreibt leicht verständlich und fasst hier die unterschiedlichen Reaktionen der Menschen gut zusammen. Es liegt ihr fern, mit dem erhobenen Zeigefinger die politischen Querelen zu beurteilen, sondern sachlich und klar zu dokumentieren.

Die Berichte belegen deutlich, wie der Zerfall des Habsburgerreiches, des Schnitt von Monarchie zu Republik, aber auch das jeweilige persönliche Schicksal wahrgenommen wurde. Nicht nur Trauer und Resignation, eben auch Hoffnung und Zuversicht – je nach Stand, Besitz und politischer Einstellung. Die Autorin versucht hier ein Gesamtbild zu zeichnen, einen Querschnitt über sämtliche Bevölkerungsschichten. Sie beschreibt auch die Auswirkungen auf das weitere Leben und so manchen „Tick“, den der harte Kriegsalltag verursacht hatte.

Diese Erlebnisse aus „erster Hand“ erzählt, führen uns den Schrecken und das Elend des Krieges klar vor Augen. Wir sollen uns erinnern, daran denken, welche Auswirkungen Nationalismus und Hass hervorbringen können. Derzeit dürfen wir uns in Europa in Frieden und Sicherheit wiegen, es bleibt zu wünschen, dass wir diesen Schatz hüten und nicht als Selbstverständlichkeit hinnehmen.

Für dieses durchaus wichtige Zeitzeugnis vergebe ich gerne fünf Sterne.

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