Rezension zu "Worte in meiner Hand" von Guinevere Glasfurd
"Worte in meiner Hand" ist ein ganz wunderbares Buch. Ich kann ihm wahrscheinlich mit dem, was ich hier schreibe, nicht gerecht werden.
Die Handlung spielt in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Sie dreht sich um die Liebe zwischen dem französischen Philosophen René Descartes und der etwa zwanzig Jahre jüngeren Magd Helena Jans. Genial ist, dass der Prominente Descartes eben nicht im Mittelpunkt steht, sondern Helena, aus deren Perspektiver heraus (Ich-Form) erzählt wird. Diese Liebe hat es wirklich gegeben, auch wenn es nur ganz wenige Belege dafür gibt und noch weniger gesicherte Informationen über Helena Jans.
Aus diesem mageren Gitter an Fakten hat Guinevere Glasfund eine Geschichte gestrickt, die natürlich jede Menge Phantasie und noch mehr Einfühlungsvermögen widerspiegelt. Da es keine lebenden Zeitzeugen gibt, können wir nur mit dem Wissen und der Sichtweise von heute auf diese Zeit sehen. Wie hat es sich angefühlt, im 17. Jahrhundert eine Frau zu sein, eine mittellose ohne Rang. Wie hat es sich angefühlt, zu glauben, dass die Erde eine Scheibe ist und die bestehende gesellschaftliche Ordnung eine von Gott gewollte? Wo es normal war, dass Frauen nicht lesen und schreiben können und selbstverständlich von allem Männlichen bevormundet wurden.
Helena ist 17 Jahre alt und die Magd im Hause eines englischen Buchhändlers in Amsterdam. Sie arbeitet von früh bis spät und wird von ihrem Dienstherrn kaum als Person wahrgenommen. Sie ist ein kluges Mädchen und interessiert sich für die Welt, was sie vor dem Buchhändler und auch seinen Bekannten verbergen muss. Sie hat sich selbst das Lesen beigebracht und übt heimlich das Schreiben. Ihre Klugheit wird ihr als Makel angelastet. Als Descartes als längerfristiger Gast mit seinem Atlatus, dem Limousin bei Mr. Sergeant absteigt, treffen zwei Seelenverwandte aufeinander. Sie inspirieren sich gegenseitig. Es ist einfach klasse, wie es Guinevere Glasfund gelungen ist, die Entwicklung dieser Liebe authentisch darzustellen. Natürlich ist diese Beziehung unmöglich. Die gesellschaftlichen Schranken sind unüberwindbar. Für Helena und auch für Descartes. Es gelingt ihnen jedoch, dem Leben, der Zeit und der Gesellschaft eine Möglichkeit abzutrotzen, miteinander zu leben und mit dem Kind, das Helena schon nach kurzer Zeit bekommt, eine Art Familie zu sein. Das ist nur abseits der Gesellschaft im Geheimen an einem abgelegenen Ort möglich, wo sich nicht so schnell entdeckt werden. Leider ist es nur eine kurze Zeit des Glücks, denn die kleine Tochter Francine stirbt mit fünf Jahren an Scharlach. Wie hat es sich angefühlt, dieser Krankheit, die heute kein Problem mehr darstellt, ratlos ausgeliefert zu sein. Die Geschichte gibt einen Eindruck davon. Es zerreißt einem das Herz.
Sehr interessant ist die Wahrnehmung von Helena. Und es wird klar, dass auch vierhundert Jahre nach dieser Geschichte immernoch so manche gesellschaftliche Beschränkung mehr oder weniger besteht und gerade kluge und selbstbestimmte Frauen hier und da immer noch als suspekt gelten.
In dieses Buch kann man sich hineinfallen lassen. Es war eine wahre Freude, es zu lesen.