Wenn Kinder selbstbewusst aufwachsen sollen, dann dürfen sie in ihrer Entwicklung nicht gestört werden, so Gunda Freys These. Die größten Störfaktoren sind laut ihr die Erwachsenen, die aus Unwissenheit, eigenen Problemen, zu viel oder zu wenig des Guten Kinder oft auch unbewusst schaden. Freys Erziehungsratgeber geht von zwei großen Bausteinen aus: sich selbst verstehen und die Kinder verstehen. Wenn beides passiert, kann eine wertschätzende Beziehung und Erziehung gelingen. Die (psychischen) Grundbedürfnisse der Kinder werden kurz erklärt und stehen im weiteren Verlauf des Sachbuchs immer im Mittelpunkt. Die Autorin zeigt, wie man diese am besten erfüllen kann.
Dies macht sie sehr anschaulich durch Fallbeispiele aus ihrer eigenen Familie mit zwei Kindern und, da die Autorin Psychotherapeutin für Kinder und Jugendliche ist, auch aus ihrer Praxis mit ihren Klient*innen. Die privaten und beruflichen Einblicke fand ich jedesmal sehr spannend, weil sie Probleme aus mehreren Blickwinkeln betrachtet und auch Lösungsvorschläge anbietet. Im letzten Kapitel gibt Frey auch konkrete Tipps und Methoden für die Umsetzung ihres Erziehungsverständnisses. Sie spricht nicht nur Eltern an, auch wenn sich das Buch mehrheitlich an diese richtet, sondern auch Pädagog*innen, Erzieher*innen und alle anderen, die im sozialen Bereich mit Kindern und Jugendlichen arbeiten.
Was mich sehr gestört hat war, dass nicht gegendert wurde, es wurde durchgehend die männliche Form verwendet oder willkürlich ein Geschlecht zugewiesen. Das ist mir sehr negativ aufgefallen. Außerdem geht die Autorin von einer heteronormativen Weltanschauung aus das, finde ich im Jahr 2020 einfach nicht zeitgemäß. Letzteres ist mir erst im Kapitel zur sexuellen Aufklärung bewusst aufgefallen.
Den Ansatz von Frey finde ich sehr gut: Jedes Kind ist besonders, hat seine eigenen Bedürfnisse und braucht individuelle Unterstützung und Liebe von Seiten der Erwachsenen. Wir müssen achtsamer mit Kindern umgehen, uns selbst mehr reflektieren und mit ganz viel Verständnis, Akzeptanz, Respekt und Vertrauen an die Sache herangehen.
Fazit
Ein Erziehungsratgeber der mehr auf Beziehung als Erziehung setzt und damit an den Grundsäulen einer erfolgreichen Entwicklung des Kindes arbeitet. Wenn die Grundbedürfnisse eines Kindes erkannt und erfüllt werden, die Erwachsenen sich selbst kennen und reflektieren steht einem harmonischen Zusammensein nichts im Wege. Das gut strukturierte Sachbuch punktet mit authentischen Fallbeispielen und einer sehr verständlichen, Leser*innen nahen Sprache. Punkte Abzug gibt es wegen eines heteronormativen Verständnisses und weil nicht gegendert wurde.