Cover des Buches Niemands Tochter (ISBN: 9783404615421)
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Rezension zu Niemands Tochter von Gunter Haug

Knapp hundert Jahre früher und doch so unendlich fremd...

von Queenelyza vor 9 Jahren

Rezension

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Queenelyzavor 9 Jahren
In "Niemands Tochter" erzählt der Autor Gunter Haug die wahre und gänzlich unspektakuläre Lebensgeschichte seiner Großmutter Maria Staudacher. Maria wurde 1903 geboren, wuchs als Stiefkind auf einem Bauernhof auf und hatte dort kein schönes Leben. Die Stiefmutter war ihr nicht sehr wohlgesonnen, sodass sie, kaum 14 Jahre alt, als Magd auf einen anderen Hof gegeben wurde. Dies war zur damaligen Zeit nicht unüblich, da auch jeder Esser weniger am Tisch eine Last weniger bedeutete.

Der Leser begleitet Maria auf ihrem Lebensweg, wird Zeuge, wie sie ihren Johann kennenlernt und heiratet. Das erste Kind kommt jedoch bereits vor der Eheschließung auf die Welt, weswegen auch keine Taufe stattfinden durfte. Heutzutage unvorstellbar, dass da jemand auch nur mit der Augenbraue zuckt, war dies zur damaligen Zeit eben noch eine große Schande, auch wenn es oft genug trotzdem vorkam.

Weiterhin erlebt Maria zwei schwere Kriege mit und bringt insgesamt neun Kinder zur Welt. Auch wenn es nicht immer leicht ist, steht die Familie zusammen und versucht das tägliche Leben so gut es eben geht, zu meistern. Und glatt läuft bei so vielen Menschen unter einem Dach längst nicht alles...

Frauenschicksale wie das der Maria hat es zur Jahrhundertwende tausendfach gegeben. Wir lesen von einer starken Frau, die niemand je gefragt hat, wie es ihr geht, was sie sich wünscht und erträumt und ob sie sich ihr Leben vielleicht auch anders vorgestellt hätte. Das oft harte Schicksal wird mit Kraft, Stärke und viel Gottvertrauen gemeistert, ohne dabei den Lebensmut zu verlieren. Ich konnte es oft kaum glauben, dass diese Zeit lediglich knapp hundert Jahre her sein sollte - vieles wirkt, als wäre es dem Mittelalter näher als der Neuzeit. Es berührt einfach, zu lesen, welche Sorgen unsere Großmütter hatten, als es noch nicht wichtig war, mehr als zehn Paar Schuhe im Schrank zu haben. Als es eher darum ging, das einzige Paar Schuhe noch ein weiteres Mal über den Winter zu bringen.

Es hat mich aufmerksamer und demütiger gemacht, dieses Buch lesen zu dürfen. Wie oft jammert man heutzutage über Kleinigkeiten, die früher nicht einmal ein Schulterzucken wert gewesen wären. Auch klar, dass man die Situationen heue und damals nicht vergleichen kann, aber von einer starken Person wie Maria kann man sich schon das eine oder andere abgucken. Zeitzeugnisse wie dieses sind gut und wichtig, um auch den nachfolgenden Generationen zu vermitteln, wie ihre Vorfahren aufgewachsen sind. Kaum zu glauben, dass der Autor das Buch zuerst gar nicht schreiben wollte, weil ihm seine Großmutter so fremd war. Dafür schafft er es in beispielhafter Weise ihr Leben vor dem Leser auszubreiten, sensibel und wahrhaftig. Sicher keine Weltliteratur, aber spannend und bewegend.
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