Rezension
Thailavor 13 Jahren
Auf den ersten Blick scheint in diesem "expressiv-romantischen" Frühwerk (soviel verspricht der Klappentext) von der späteren virtuosen künstlerischen Kontrolle Flauberts wenig zu erkennen. Ein junger Ich-Erzähler ist zwischen Liebessehnsucht und Weltverdruss hin und her gerissen. Er wälzt sich geradezu in Melancholie und gibt seinen Gefühlen in einer überbordenden, metaphernreiche Sprache Ausdruck. Es hat mich nicht gewundert im Nachwort zu lesen, dass Flaubert in jungen Jahren immens vom Werther beeinflusst wurde. Der Effekt ist gelegentlich komisch - ob freiwillig oder unfreiwillig konnte ich nicht so recht entscheiden. Auf der Suche nach erotischen Abenteuern trifft der Held auf die Prostituierte Marie, in der er eine Seelenverwandte zu finden vermeint, die er nach einer gemeinsamen Nacht jedoch nie wieder sieht. Auf den letzten Seiten wird die Erzählperspektive gebrochen. Ein Bekannter des Helden erzählt dessen Geschichte und rechnet mit seiner Gefühlsdusselei gnadenlos ab. Da zeigt sich schon der kühle Blick des späteren Flaubert, dem häufig die vorgeworfen wurde, er habe die Schärfe eines Seziermessers und würde gnadenlos all das offenbaren, was im menschlichen Leben kleinlich und mittelmäßig ist. Um Flaubert kennenzulernen würde ich doch eher eines seiner Meisterwerke wie "Madame Bovary" oder "Lehrjahre des Gefühls" empfehlen. Wer sich jedoch tiefer mit dem Werk Flauberts beschäftigen möchte, ist gut beraten dieses schmale Büchlein zu lesen um die Enstehung eines großen Schriftstllers mitzuerleben.