Ein Mann erzählt seine Lebensgeschichte – von der Nervenheilanstalt aus. Es ist ein Leben, das sich sehr stark im Einklang mit der ungarischen Geschichte ergibt.
György Konrád hat mit seinem Roman „Der Komplize“ ein Stück Weltliteratur geschrieben. Nur leider ist dieses Buch in Deutschland noch immer nicht „entdeckt“. Sprache und Geschichte befinden sich auf einem Niveau, die Ihresgleichen suchen. Eine Geschichte, die nicht alltäglich ist. Sie erzählt die jüngere Vergangenheit Ungarns, den Aufstieg und Fall des Kommunismus und gleichzeitig ist dieses Buch ein Familienroman, der das Leben von Generationen vereint.
Es ist eine beschauliche Kindheit, die der Erzähler dieses Romans im Ungarn zwischen den beiden Weltkriegen erlebt. Der Großvater, ein reicher Jude, besitzt ein gutgehendes Geschäft in der Stadt, er ist ein angesehener Bürger und das unangefochtene Oberhaupt der Familie. Zwar leidet seine Mutter unter den ständigen Affären des Vaters, doch davon bekommt der Junge nur wenig mit. Zusammen mit seinem jüngeren Bruder Dani erleben sie eine Kindheit ohne Sorgen, umringt von Menschen, die es gut mit ihnen meinen.
Schon in der Studentenzeit beginnt der Erzähler, sich politisch zu engagieren und tritt der damals noch kleinen Kommunistischen Partei bei. Verfolgt von den Deutschen erfährt er zum ersten Mal, was es heißt, sich im Untergrund bewegen zu müssen. Die eingeschworene Gemeinde der Parteimitglieder verteilt heimlich Flugblätter und ist immer darauf bedacht, nicht von den Schergen aufgespürt zu werden. Hier lernt er auch seine erste große Liebe kennen, mit der zusammen er sich politisch für das vermeintlich Gute stark macht. Doch sie werden von den Deutschen gefangen genommen, verhört und gefoltert. Seine Frau stirbt und der Erzähler landet in einem Arbeitslager, aus dem er während eines Außenarbeitseinsatzes fliehen kann. In den Wirren des 2. Weltkrieges irrt er durch das Land und erreicht schließlich die russische Front. Gefördert von den russischen Kommunisten absolviert er Lehrgänge, um nach dem Krieg der Partei in Ungarn aus den Kinderschuhen zu helfen.
Doch schon bald nach dem Krieg lässt seine Heißblütigkeit für die politische Sache nach. Er erkennt, dass dieses System aus gnadenloser Gewalt und Spionage, welches nur Angst und Schrecken, nicht nur bei der Bevölkerung, sondern auch bei den eigenen Parteimitgliedern verbreitet, nicht besser ist, als die Deutschen waren. Und wieder gerät er in Gefangenschaft…
Ein politischer Roman, ein einfühlender Roman, ein Epos. György Konrád begibt sich auf sehr dünnes Eis, als er es wagte, das herrschende System in Ungarn derart offen und ehrlich zu kritisieren. Ein Buch, das aufrütteln soll, spannend und brillant geschrieben. Unbedingt lesen!
Rezension zu "Der Komplize" von György Konrad