Rezension zu "Am Sandfluss" von Gyrðir Elíasson
„Ich weiß nicht, was diese Sehnsucht zu bedeuten hat; vielleicht ist es der Versuch, mich durch das dunkle Gestrüpp meines eigenen Seelenlebens hindurchzufinden, dabei allmählich zu einer kleinen Lichtung vorzustoßen, um mich dort umzusehen, oder sogar zu meditieren, ...“
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Gyrðir Elíassons, einer der bekanntesten Autoren Islands, stellt seinen Lesern mit diesem Titel eine Pastoralsonate vor, die tiefsinniger nicht hätte sein können. Jedes menschliche Gefühl wird auf einzigartige Weise angesprochen. Ein Buch wie eine Melodie, deren Klang noch lange nach dem Lesen in den Herzen der Rezipienten präsent sein wird.
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Im Zentrum des Textes steht der Bericht des Protagonisten selbst, der seine Lebensgeschichte rückblickend betrachtet. Anlass dazu ist der Aufenthalt in einem in der Nähe des isländischen Sand-á-Flusses gelegenen Waldstück. In der Hoffnung inmitten der Natur zu neuer Ruhe zu finden, verspricht er sich durch deren Einfluss eine Quelle der Inspiration, um frohen Mutes seine künstlerische Tätigkeit wieder aufnehmen zu können. Doch diese Motivation stellt sich nicht ein. Stattdessen empfindet der Erzähler eine immer stärker werdende Einsamkeit und Isolation, die sowohl Genuss als auch Bedauern auslöst. Während seiner Reise in die eigene Vergangenheit werden Kindheitserinnerungen hervorgerufen, wie etwa die positive Einstellung gegenüber Bäumen, die für ihn mehr Seelentrost als eine bloße Pflanzenart darstellen. Von der Familie des Künstlers ist ihm nur noch sein Sohn geblieben, Frau und Tochter meiden bewusst jeden Kontakt. Doch auch diese Beziehung ist eher oberflächlich und daher bedeutungslos. In der Stille des Waldes beginnt nun die Zeit des Philosophierens. Ein Philosophieren über große Künstler wie beispielsweise Chagall, Lebensträume, Erinnerungen und die eigene Existenz.
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Neben der eigentlichen Geschichte gilt es, die Gesamtkomposition des Textes zu würdigen. Verschiedene Motive werden hier zusammengefügt, die zur weiteren Reflektion einladen. Der magische Wald, manchmal düster und verlassen; manchmal voller Zauber, der Wechsel der Jahreszeiten, veränderte Stimmungen und das Zusammenspiel zwischen Mensch und Natur. Einzelne Bleistiftskizzen innerhalb des Buches machen verschiedene Emotionen des Protagonisten transparent. Das Buch versetzt seine Leser in einen fast schon meditativ-andächtigen Zustand, den man nur genießen kann. Gleichzeitig weckt dieser Titel ein enormes Interesse, weitere Titel der isländischen Literatur zu betrachten, auch im Rahmen des diesjährigen Buchmesse-Mottos: Sagenhaftes Island! Eine Zuschreibung, die Eliassons Werk zurecht verdient!