Rezension zu "El olvido que seremos. Brief an einen Schatten, spanische Ausgabe" von Héctor Abad
annilittleIch habe dieses Buch im Rahmen einer meiner Literaturseminare gelesen und sehr gemocht. Normalerweise lese ich diese „Art von Literatur“ nicht so viel, aber nach dieser Lektüre möchte ich das unbedingt ändern.
Ich würde sagen, dass dieses Buch auf eine Art definitiv autobiografisch, aber auch poetisch ist, weil es unfassbar schön geschrieben ist. Ich kann gar nicht genau sagen, was genau ich daran so schön finde, aber es hat mich einfach bei der gesamten Lektüre durchgehend berührt. Der Autor erzählt die Geschichte seiner Kindheit und Jugend und fokussiert sich dabei auf die Beziehung zu seinem Vater, der in den 80er-Jahren ermordet worden ist.
Das Buch beginnt dann auch mit Héctor, als er noch ein relativ kleines Kind war und anfangs habe ich wirklich gedacht, dass das Buch im 19 Jahrhundert spielen würde, weil Lateinamerika zu Mitte des 20. Jahrhunderts noch sehr weit entfernt war von den Standards, die zu der Zeit in großen Teilen Europas herrschten. Héctor ist der einzige Junge unter fünf Schwestern, von denen vier älter als er sind. Er erzählt uns von vielen Erlebnissen aus seinem Leben, die er mit seiner Familie, der Schule, der Religion oder auch Politik hatte.
Die Charaktere bzw. die gesamte Familie Abad (alle in dem Besuch vorkommenden Figuren sind ja oder waren real existierende Menschen) haben mir gut gefallen. Sie sind alle sehr unterschiedlich und dennoch ist die Liebe untereinander groß. Außerdem hat mir gut gefallen, dass sie so modern sind – beispielweise in Bezug auf Religion, aber auch in anderen Bereichen wie Arbeit, Zukunftsvorstellungen oder die Rolle, die eine:r in der Familie einnimmt.
Die wirkliche Magie dieses Buch resultiert jedoch aus der Beziehung von Héctor und seinem Vater. Einerseits, weil es mich sehr an meinen eigenen Großvater erinnert, sondern auch, weil ich nicht viele Männer kenne, die ihre Liebe und Zuneigung in dieser Art zeigen. Es ist einfach schön zu sehen bzw. davon zu lesen, wie sie miteinander umgehen und wie tragend die Rolle von Héctor, dem Vater, im Leben seines Sohnes ist. Er ist übrigens nicht nur so liebevoll im Umgang mit seinem Sohn, sondern mit allen seinen Kindern. Héctor Abad ist für mich ein sehr beeindruckender Mann, der sehr liebevoll in seiner Rolle als Vater, Dozent und Ehemann. Die Beziehung, die er mit seiner Frau hatte, hat mir ebenfalls sehr gut gefallen. Ich denke, dass mich das Buch aus diesem Grund auch so gut gefallen hat: Einerseits, weil es alles reale Personen sind / waren, andererseits, weil man eine tolle Familie über Jahrzehnte hinweg begleitet – in ihren schönsten und in ihren schlimmsten Momenten.
In dem Seminar haben wir auch die Verfilmung gesehen, die erst letzten Sommer erschienen ist, auch diese hat mich wirklich sehr berührt. Also ist auch der Film empfehlenswert.
Fazit: Ein Buch, das die tragische Geschichte einer kolumbianischen Familie zwischen den 1960er- und 1980er-Jahren erzählt, in denen man die Beziehung eines Vater und Sohnes begleiten kann, die mich persönlich unfassbar berührt hat.
4/5