Rezension zu "Ferdinands klitzekleine Superkräfte" von Hélèna Villovitch
Ferdinand ist etwas anders als andere Kinder. Doch in diesem außergewöhnlichen Kinderbuch erweist sich das nicht als Grund für Rührseligkeiten, Mitleid oder vordergründige Belehrungen. Vielmehr erzählt uns Ferdinand in einer witzigen Geschichte ganz nebenbei über sich und seine Schwierigkeiten.
Kinder, denen ich dieses Buch vorgelesen habe, kamen gar nicht erst auf die Idee, Ferdinand und die anderen etwas sonderbaren Helden in diesem Buch als unsympathisch oder komisch zu empfinden. Genau das Gegenteil ist passiert.
Ferdinand wohnt irgendwo in Frankreich mit seinem Großvater Thierry zusammen. Doch der gute Thierry fühlt sich trotz seines fortgeschrittenen Alters immer noch als Rocker und kleidet sich auch so, was Ferdinand besonders in kleinen Städten als etwas peinlich empfindet. Wieder einmal sind die beiden kurzfristig irgendwo sesshaft geworden. Die Schule beginnt bald wieder.
Doch diesmal kommt Ferdinand in eine besondere Klasse. Er selbst hadert mit einer gewissen Konzentrationsschwäche, die anderen in seiner neuen Klasse haben andere komische Angewohnheiten. Die viel kleinere Gaufrette spricht nicht, sondern benutzt einen Schreibblock zur Kommunikation. Ibis versteckt sich ständig und sitzt deshalb in der Klasse von Mademoiselle Rosette stets unterm Tisch. Der witzigste Mitschüler ist aber Babouche. Er kriegt völlig überraschende Schreiattacken, bei denen er einfach mehrere zusammenhanglose Worte in die Gegend brüllt.
Mademoiselle Rosettes Klasse ist bei der schrulligen Direktorin der Schule nicht beliebt. Die Direktorin befindet sich aber selbst in Betreuung eines Psychologen und hält Strenge für das oberste Gebot ihrer pädagogischen Mission. Ferdinand fühlt sich unter seinen neuen Freunden sehr wohl. Die Schule macht ihm Spaß, weil Mademoiselle Rosette allen viele Freiräume gibt.
Und dann geschehen einige kleine Wunder. Ferdinand wachsen die klitzekleinen Superkräfte, die endlich verhindern, dass ihm sein Tablett beim Mittagessen mangels Konzentration ständig aus der Hand fällt. Er lernt auch wie man durch Wände gehen kann und wie man eine kleine Zeitreise macht. Daraus erwachsen zahlreiche lustige Begebenheiten, die mit viel Witz, Komik und herrlicher Selbstironie von Ferdinand erzählt werden. Beispielsweise steht er eines Abends im Schlafzimmer seiner Direktorin und wird von ihr dann nur noch als eine ihre Halluzinationen angesehen.
Als schließlich die ungewöhnliche, aber völlig normale und ganz wunderbare Zobeline in seine Schule kommt, verliebt er sich in sie. Und letztlich gelingt es ihm sogar, dass sie sich für ihn interessiert.
Mit diesem Buch und seiner mit viel Komik erzählten Geschichte gelingt es der Autorin, dass Ferdinand und seine Freunde mit ihren kleinen Macken als das empfunden werden, was sie sich selbst so sehnlich wünschen, nämlich als zugehörig zu allen anderen. Und weil das völlig unauffällig und ohne große Erklärungen passiert, sondern durch Witz und Einfallsreichtum erreicht wird, kann man dieses außergewöhnliche Buch nur preisen.