Inhalt: Berlin in den 1920ern. Das Nachtleben ist, so die öffentliche Meinung, fest in der Hand der geheimnisvollen Eva Uriel. Der Protagonist Emil möchte seiner Schwester eine Freude machen und führt sie in eine Varieté-Show aus, die aufgrund ihrer Skurrilität bereits Stadtgespräch geworden ist. Höhepunkt der Show ist der Zauberkünstler Conradi, dessen Fertigkeiten aber in jüngster Zeit zu wünschen übriglassen – brennende Haare inklusive. Wenig freudig zeigt sich dementsprechend Emil, als der große Conradi ihn auf die Bühne bittet, ihm bei einem Trick zu assistieren. Der Trick misslingt (oder auch nicht?) und so findet sich Emil in einer Welt wieder, von der er niemals erwartet hätte, sie zu betreten.
Persönliche Meinung: „Uriel“ ist ein Kurzroman, dessen Handlung sich auf ca. 130 Seiten erstreckt. Der Erzählstil ist sehr flüssig zu lesen und hat dabei einen altertümlichen Zug, der zur Handlungszeit passt. Einerseits werden zeitgenössische Begrifflichkeiten genutzt; andererseits trumpft der Erzählstil mit feinem Humor und versteckter Ironie auf. Ähnlich humorvoll ist der Protagonist Emil, der sowohl als abgebrüht als auch als unsicher gezeichnet ist. Im Mittelpunkt steht das eskapistische Berliner Nachtleben der Goldenen Zwanziger, wobei mir besonders gut gefallen hat, dass dieses Illusionäre auch im Handlungsbogen (v.a. das Ende) angelegt ist, wodurch es insgesamt noch verstärkt wird. Vieles ist nicht so, wie es scheint; einiges wird auf den ersten Blick entlarvt, nur um dann doch wieder in einen Schwebezustand zu fallen. Atmosphärisch dicht beschrieben ist das vergnügungssüchtige Publikum, die wogende Masse, die die Varieté-Show verfolgt, deren Gunst aber fragil ist, sodass die Stimmung jederzeit kippen kann. Zuletzt fließen in die Handlung einige interessante historische Begebenheiten ein. Insgesamt ist „Uriel“ ein schöner Kurzroman, der die illusionäre Atmosphäre der Handlungszeit treffend einfängt, diese auf den Handlungsbogen projiziert und einen ironisch-humorvollen Erzählstil aufweist.