Eine intensive Lektüre zu Sterben und Tod
Das Sterben und der Tod, beides wird in modernen Gesellschaften mehr und mehr an den Rand geschoben. Jugendlichkeit (durchaus auch operativ erhalten), Fitness und Belastbarkeit stehen weit mehr im Fokus des Interesses als Siechtum, Alter und Sterben. Und dazu, der Tod macht einfach Angst. Zu Recht in seiner Unvorstellbarkeit.
Der Palliativmediziner Müller-Busch legt nun eine ruhige, intensive und beachtenswerte Betrachtung zu dieser „letzten Grenze“ des menschlichen Lebens vor und wenn er im letzten Kapitel fragt : „Wie ich sterben will – was ist mein guter Tod“, dann wird auch deutlich, dass es in diesem Buch immer auch um die persönliche Ebene des Lesers geht und nicht um eine medizinische, trockene, abstrakte Abhandlung. Es ist im Übrigen eine gute Idee, mit diesem letzten Kapitel des Buches die Lektüre zu beginnen.
Zum einen, weil in diesem Kapitel wie in einer Art Zusammenfassung die auch im Buch wesentlichen Gedanken zum Sterben und zum Tod komprimiert zu Gemüte geführt werden und zum anderen, weil die eigenen Gedanken, die eigenen Emotionen in Bewegung geraten und damit eine gute Öffnung für die vielfachen Impulse des gesamten Buches entsteht. Auf der Basis des Faktes, dass „der Tod nicht machbar“ ist und durchaus ein „Todeskampf“ weit häufiger im Raume steht als ein friedliches Einschlafen. Gut, dass hier seit Jahren bereits die palliative Medizin Fortschritte verzeichnet und zum anderen mehr auch in den Blick der Ausbildung rückt.
Ein Stellenwert, den Müller-Busch von vielen Seiten her beleuchtet. Immer von dem Grundanliegen her motiviert, „die Lebensqualität von Patienten in der letzten Lebenszeit zu fördern“. So wendet sich Müller-Busch u.a. dem Respekt vor der Autonomie auch im Sterben zu, gibt therapeutische Einblicke in die Schmerzbehandlung bei Sterbenskranken, fragt nach dem Zeitempfinden im Angesichts des Todes, erzählt durchaus auch vom Humor bei Sterbenden und von dem, was aus Nahtoderfahrungen für den Sterbeprozess abgeleitet werden kann. Dazu gehört auch der ethische Aspekt und die Sinnfrage, denn „dem Tod seinen Raum, seine Zeit zu geben, seinen Moment zu lassen, beinhaltet auch die Frage nach dem Sinn“. Eine Frage, die nicht ein für alle mal beantwortet werden kann, auch in diesem Buch nicht, für die Müller-Busch aber viele Impulse ebenfalls mit auf den Weg zu geben versteht.
Ein Sinn, der sich vielleicht vor allem mit darin erschließen kann, im Geschehen des Sterbens nicht nur über Befunde und Dosierungen sich Gedanken zu machen, sondern, wie Müller-Busch fast einladend auffordert, auch Trauer, Schmerz, Angst, Scham, Wut, Unsicherheit, das gesamte emotionale Spektrum in und um das Sterben in die Beziehungen mit einzulassen, auch in die zwischen Arzt und Patient. Vielfache kleine praktische Beispiele illustrieren hierbei bestens, was möglich, wichtig und auch eigentlich nötig ist für ein solches „Sterben in Würde“.
Mit einem Schwerpunkt sicherlich aus der Sicht des palliativen Arztes heraus, durchaus aber mit vielfachen Überlegungen, Einwürfen, Nebenbetrachtungen gelingt es H. Christof Müller-Busch ein unaufgeregtes, dennoch emotionales und durchweg informatives und interessantes Buch zu Tod und Sterben vorzulegen, dessen Lektüre nicht nur nachwirkt, sondern auch die Einstellung des Lesers in guter Weise verändern kann.