Cover des Buches Die Zeitmaschine / The Time Machine (ISBN: 9783730604816)
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Rezension zu Die Zeitmaschine / The Time Machine von H. G. Wells

die Menschheit am Abgrund

von derMichi vor 6 Jahren

Rezension

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derMichivor 6 Jahren
Wenn eines aus der "Zeitmaschine" spricht, dann die Technikbesessenheit und das Fortschrittsstreben des Jahrhunderts ihrer Entstehung. Der Mensch hatte Land, Wasser und Luft erobert und Maschinen konstruiert, die manchen zu dem Schluss brachten, dass bei derartigen Weiterentwicklungen irgendwann auch der Krieg überflüssig würde. Mittlerweile weiß man es besser und besonders gegen Ende jenes Jahrhunderts wurde aufmerksamen Beobachtern immer mehr klar, dass grenzenloser Fortschritt auch grenzenloses Scheitern bedeuten kann.

Wells' namenloser Zeitreisender ist anfangs noch ganz Gentleman und fortschrittsgläubig bis zur Selbstaufgabe. Besonders von der Reise in die Zukunft verspricht er sich Einblicke in das, was die Menschheit einst noch erreichen wird, während er sich seiner Überlegenheit gegenüber den einfachen Eloi sicher scheint. Was er bei ihnen vorfindet, nämlich eine Welt in der sich die Nachfahren der Menschen im wahrsten Sinne des Wortes selbst verbrauchen, steht in ebenso krassem Widerspruch zu seinen eigenen Überzeugungen wie die Erkenntnis, dass er dagegen nichts tun kann.

Trotz seiner Kürze ein großer Roman, der in Würde gealtert ist. Selten war der Menschheit so kurz davor wie heute, sich haltlos in ihren wissenschaftlichen und ideologischen Schöpfungen zu verstricken. Dazu musste Wells kein Hellseher sein. Wer meint, erst das 20. Jahrhundert habe die fortschrittlichsten Grausamkeiten der Geschichte hervorgebracht, findet bei genauerem Nachforschen schon zu Lebzeiten des Autors eine Fülle an Ereignissen, die auf zukünftige Entwicklungen hindeuten und von denen die Elite (hier: Verleger, Mediziner, Politiker und andere Wissenschaftler) solange nichts wissen will, bis ein Beweis nach ihrem Geschmack vorliegt.

Die zweisprachige Ausgabe erlaubt einen direkten Vergleich mit dem Original. Wie schon beim bereits besprochenen "Hund der Baskervilles" entspricht der jeweils nebenstehende englische Absatz genau dem Inhalt der Übersetzung. Da die englische Sprache jedoch mit wenigeren Wörtern auskommt, gibt es an vielen Stellen Weißräume, wo sie erzählerisch und typografisch nicht unbedingt notwendig gewesen wären. Damit eignet sich vor allem die deutsche Fassung besser zum flüssigen Durchschmökern, die englische eher zum Vergleichen.

Denn spannend ist Well's Geschichte allemal. Durch Auslassungen und die Erinnerungslücken des meist in der Ich-Form berichtenden Zeitreisenden (und seines Gastes) bleiben kurzfristig genug Fragen offen, um mit Neugier weiterzulesen. Deshalb und auch aufgrund seiner Thematik dürfte dieser Klassiker so schnell nicht an Wert verlieren.

Originaltitel: "The Time Machine"
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