Das Buch „Songket – Sammlung Harms“ ist im Verlag Anton Pustet erschienen und zeigt eine Art von Textilkunst, die hierzulande nur Kennern bekannt sein dürfte. Songkets sind kostbare Tücher, das Gewebe Seide oder Baumwolle, welches mit Silber- oder Goldfäden aufwendig hergestellt wird. Sie zeigen eine Vielzahl an Motiven, erzählen Geschichten aus Mythologie oder Lebensentwürfen, vermitteln Rituale, zeigen Macht oder Reichtum auf und vermitteln einen unvergleichbaren Charme.
Das Buch ist in einzelne Kapitel eingeteilt, die einen tiefen Einblick in die Region rund um Sumatra bieten. Anfangs erfährt man einiges über die indigenen Völker und die Kulturen Sumatras, die Besiedelung der indonesischen Region, diverse Handelsverbindungen und die kulturellen Entwicklungen seit der Steinzeit. Hervorgehoben werden immer wieder die Verbindung zu Naturreligionen mit Geistern, Mythen, Fruchtbarkeitsritualen, Kopfjägerei und Kannibalismus.
Die chinesischen, indischen, persischen und jemenitischen Händler waren oft längere Zeit auf Sumatra gestrandet, während sie darauf warteten, dass der Wind wieder eine Weiterfahrt ermöglichte. Natürlich war dies für Sumatra eine gute Einnahmequelle – Geld und Waren, Religion und Kultur wurden zurückgelassen, bevor sie ihre Weiterreise antraten. Ebenso hinterließen die Kolonialmächte Portugal, England und die Niederlande tiefe Spuren.
Das Kapitel „Traditionelle Textilien in Sumatra“ gibt einen Einblick in die Techniken Pelangi und Tritik, Ikat sowie Batik, welche zu den Reservemusterungsverfahren gehören und somit zu den ältesten Musterungsmethoden für Textilien zählen. Anders als bei diesen Techniken entstehen bei Songkets die Muster durch eine komplexe Webtechnik – diese hier genau zu schildern, würde den Rahmen sprengen. Interessant nachzulesen ist es allemal (auch für Laien verständlich).
Immer wieder werden unterschiedliche kostbare Tücher abgebildet und genauestens erklärt – Herstellung, Bedeutung, Herkunft findet sich in Anmerkungen neben den Bildern. Als Nichtkenner (so wie ich) kann man viel Neues entdecken und erfahren, so sind z.B. die Brokate (wie Songkets auch genannt werden) aus der Palembang-Region in Südsumatra angeblich die schönsten und prächtigsten Textilien aus dem höfischen Bereich. Aus dem Gold dieser Region wurden ursprünglich die Metallfäden für diese Songkets hergestellt.
Die Bedeutung der Muster wird oftmals kosmologisch interpretiert und als magisch angesehen. Bei den Minangkabaus entstammen die Muster jedoch aus dem Alltagsleben und der Natur – wieder finden sich in dem Buch etliche Beispiele, an denen man die Unterschiede sehr gut ausmachen kann. Z.B. erkennt man das Dreieck-Motiv (Bambussproß), das die Enden des Tuchs markiert, und man findet die unterschiedlichsten Motive nur an bestimmten Stellen. Grundlage für diverse Motive sind z.B. Enten, Palmenstämme, Blätter, Fische, Rauten- oder Diamantmotive, Klebreiskekse, Farne, Erdnüsse, und vieles mehr.
Zu den ältesten Textilien des indonesischen Archipels zählen die „ulos“ der Batak - wenn man der Überlieferung Glauben schenken darf, war die erste Weberin eine Göttin … Ebenso wird auf die Bedeutung der Schiffe hingewiesen, ohne die für die dortigen Völker eine Fortbewegung kaum oder nur sehr schwer möglich war und ist. Berühmt wurden Schiffstücher aus der Provinz Lampung, deren Motive ebenso die kulturellen Einflüsse spiegeln.
Das Buch erzählt eine wunderbare Geschichte rund um Sumatra und deren einzigartiger Textilkunst. Bereits seit frühester Kindheit faszinierten den Chemiker und Textil-Unternehmer Haio Harms indonesische Textilien. Mehr oder weniger durch Zufall verschlug es ihn für einige Zeit nach Indonesien und dort begann er diese Kunstwerke zu sammeln. In den letzten 30 Jahren entstand somit eine umfangreiche Kollektion – die Songkets aus Sumatra und Bali werden in diesem ersten Band vorgestellt, somit darf man sich freuen, auch noch weitere Kunstwerke in Zukunft bewundern zu dürfen.
Die Texte sind immer in Deutsch und parallel dazu in Englisch verfasst, leicht verständlich geschrieben und zeugen von der Begeisterung des Sammlers. Eine begleitende Ausstellung dieser Schätze gibt es zurzeit noch in Salzburg zu sehen. Gerne lässt man sich davon anstecken und somit vergebe ich gerne 5 Sterne.