Cover des Buches Der Liebesidiot (ISBN: 9783813504293)
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Rezension zu Der Liebesidiot von Hajo Steinert

Tolle Wörter erzählen eine langweilige Geschichte

von missmistersland vor 9 Jahren

Rezension

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missmisterslandvor 9 Jahren

Inhalt

Nachdem seine Frau ihn verlassen hat, lebt Sigmund Seiler in einer festen Gemeinschaft. Mit seiner sechzehnjährigen Tochter Susi. In der Kantine des Media Center erliegt er der Stimme einer Frau vor ihm in der Schlange. Der Ton ihrer Essensbestellung trifft ihn wie Amors Pfeil. Als Sprecher von Beruf dem Hören verfallen, verfolgt er die Unbekannte auf Schritt und Tritt. Beim Versuch, sich der Angebeteten zu nähern, kommt es zur Katastrophe. Und so sitzt Seiler, geschlagen von einem Bandscheibenvorfall, in der Siegerlandklink und liest den anderen Patienten Woche für Woche ein Kapitel aus seinem unerhörten Leben vor. Bis der Klinikdirektor ein Machtwort spricht.
… (Klappentext)

Meine Meinung

Sigmund ist ein Voyeur - zwar von der dezenten Sorte, aber doch ist dieser Voyeurismus ein konstantes Thema seiner Erzählungen.
In den ersten Kapiteln geht die Erzählung des "Kennenlernens in der Kantine" nur wenig voran. Im Vordergrund steht sein bisheriges Leben und seine aktuelle Lebenssituation, inklusive Posterverliebtheit und Internetpornos. Locker leicht erzählt in teilweise schier endlosen Sätzen.

Tatsächlich passiert in diesem Buch eigentlich nichts. Alles in allem geht es um den einen Tag (Mittag bis Abends) an dem Sigmund das "Missgeschick" passiert welches ihn in die Rehaklinik bringt. Die Geschichte ist gewürzt mit Sigmunds Liebeslebensgeschichten.
Sobald man von einem neuen Lebensabschnitt erfährt fällt einem die "fehlende" Geschichte nicht sehr auf. Doch zum Ende hin gab ich die Hoffnung einer tiefgründigen Geschichte auf. Das Buch ist wirklich toll geschrieben, eine unterhaltsame Geschichte habe ich vermisst.

Sigmund kann einem eigentlich nicht so richtig sympathisch werden. Er ist ein Voyeur und nicht sonderlich humorvoll, charmant oder einfallsreich. Er muss nichts davon sein, doch eine so dahin blubbernde Geschichte braucht für mich immerhin einen tollen Charakter der es "herausreißt". In dem Fall fand ich beides eher unteres "Mittelmaß".

Es ist ein wirklich toll geschriebenes Buch, man spürt regelrecht die Liebe des Autors zum geschriebenen Wort. Teilweise muss man aber mit höchster Konzentration lesen, denn der Autor schafft es beispielsweise mit einem Satz aus 233! Wörtern (ja ich habe gezählt) eine komplette Buchseite zu füllen (S. 51 und 52).
Der Schreibstil hat die Bewertung "herausgerissen" - in einer Mischung zwischen anspruchsvoll und kurz & knackig war das Buch toll zu lesen.
Besonders spannend fand ich den Wechsel von 1ter Person auf die 3te Person zum Ende des Buches hin. Sowas habe ich bisher noch nie in einem Buch erlebt.

Es gibt die ganze Zeit über eigentlich keine offenen Fragen. So dass das Ende wenig fulminant ist. Man "blubbert" so dahin bis auf die letzte Seite, ohne Schlaglöcher oder Kurven.

Mein Fazit

Das Buch gehört zu den anspruchsvollen Romanen des Jahres 2015 - der Schreibstil ist großartig doch die Geschichte war nicht sehr fesselnd. Für jemand der auf der Suche nach anspruchsvoller Literatur auf jeden Fall einen Blick wert, für die Storyliebhaber unter euch: mehr als im Klappentext passiert nicht wirklich.
Alles in allem ist es ein lesenswerter und hochgeistiger Roman für den erlesenen Lesergeschmack.
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