Cover des Buches Den Kern schluckt man nicht (ISBN: 9783946989080)
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Rezension zu Den Kern schluckt man nicht von Hakan Tezkan

Kurz und prägnant

von gst vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Ein ausgefallener Roman mit sehr eindrücklichen Bildern

Rezension

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gstvor 6 Jahren
„Während der Vater die Zeitung zusammenfaltete, sah M auf den Teller vor sich, auf die rote Umrandung und die kleinen, gebrochenen Stellen am Tellerrand. Er fuhr mit dem Finger darüber. Manche Stellen waren glatt, andere hingegen rau und scharfkantig.“ (Seite 9)

Der Autor beobachtet präzise, so dass die Bilder wie ein Film vor dem Auge des Lesers ablaufen. Es geschieht nichts aufregendes – oder besser gesagt: alles wird so stoisch beschrieben, als geschähe nichts besonderes. Der Leser taucht in die Welt eines alterslosen Kindes ein, für das alles selbstverständlich ist. Doch mit ein wenig Lebenserfahrung entstehen Emotionen, da sich die Verhaltensmuster ganz anders einordnen lassen. Und unvermittelt fragt man sich, was die Familienmitglieder für ein Verhältnis zueinander haben.

Seite 33:
„… sah abermals hoch, zur dritten Etage, wo die Mutter stand, mit dem Rücken ans Fenster gelehnt, die lockigen Haare gegen das Fenster gedrückt, und wo der Vater stand, von dem nur die rechte , obere Hälfte des Gesichts zu sehen war. Die Mutter schaute am Vater vorbei auf etwas, das sie in der Hand hielt. Als der Vater seine Hand auf das Ohr der Mutter legte, ließ sie den Kopf wie auf Kommando nach vorn auf seine Brust fallen.“

Neben den zahlreichen Episoden aus dem Familienleben haben mir auch die Beobachtungen der Umgebung gefallen:

„Im Zentrum des Marktplatzes stand eine Bronzestatue. Sie zeigte einen Offizier auf einem Pferd. Auf dem Kopf des Offiziers saß quer ein Zweispitzhut, er reckte eine Lanze in die Luft, und als wollte er ein Heer in eine Schlacht peitschen, war sein Mund weit aufgerissen. Das Pferd aber schien zu traben, nur leicht hatte es eines der Vorderbeine angewinkelt, und schlaff hing auch die Leine von seinem Hals herunter.
Jeden Morgen kam der Mann mit dem Lappen, die Statue zu polieren. Mit dem Oberkörper pflegte er dabei auf- und abzuwippen, und die Haare die ihm übrig geblieben waren, fielen ihm in feinen Strähnen übers Gesicht.“
(Seite 21)

Hakan Tezkan wurde 1989 in Göttingen geboren, wuchs in Bergisch Gladbach auf und lebt heute in Wuppertal, wo er nach seinem Studium am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig ein Lehramtsstudium aufgenommen hat. Sein Debütroman „Den Kern schluckt man nicht“ ist nur 125 Seiten lang. Er ist in drei Teile gegliedert, von denen jeder aus kurzen, prägnanten Kapiteln von ein bis sieben Seiten besteht.

Ich bin wirklich begeistert von der knappen Sprache, in der jeder Satz auf den Punkt kommt. Wer keine ausschweifenden Erklärungen braucht, der wird seine Freude an diesem Roman haben, der sich leicht an einem Nachmittag weglesen lässt.
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