Hakan Tezkan

 5 Sterne bei 2 Bewertungen
Autorenbild von Hakan Tezkan (©Dinçer Güçyeter)

Lebenslauf

Hakan Tezkan, geboren 1989 in Göttingen, aufgewachsen in Bergisch Gladbach, lebt in Bochum. Abgeschlossenes Studium am Deutschen Literaturinstitut Leipzig (DLL). Seither Studium an der Bergischen Universität Wuppertal (BUW). Prosaredakteur des Fotokunst- und Literaturmagazins S T I L L. Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien (u.a. Neue Rundschau, etctetera, um[laut]). Prix Marcela Delpastre beim poet|bewegt 2012, Finalist beim Hattinger Förderpreis 2013, Finalist beim 23. open mike 2015. "Den Kern schluckt man nicht" (elifverlag) ist sein Debüt.

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Cover des Buches Den Kern schluckt man nicht (ISBN: 9783946989080)

Den Kern schluckt man nicht

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Erschienen am 26.02.2018

Neue Rezensionen zu Hakan Tezkan

Cover des Buches Den Kern schluckt man nicht (ISBN: 9783946989080)

Rezension zu "Den Kern schluckt man nicht" von Hakan Tezkan

Literatur als Kunstform
Ein LovelyBooks-Nutzervor 6 Monaten

Wer Hakan Tezkans Debüt Den Kern schluckt man nicht aus dem Elif Verlag aufschlägt, betritt ein Labor. Unter dem Mikroskop liegt das Leben selbst. Wie ein Pathologe seziert Tezkan eine Familienstruktur. Sein Skalpell ist die Sprache. Und wie ein Physiker schaut er auf die Atome, die kleinsten unteilbaren Einheiten. Geringfügigste Details sind der Erwähnung wert. Die Aufmerksamkeit liegt nicht bei der zu erzählenden Geschichte, sondern bei den Menschen und ihren Absonderlichkeiten oder Besonderheiten. Es gibt Bücher in denen geschieht nichts außer das Leben. Dabei fängt Tezkan Gedanken und Gefühle ein, die in anderen Romanen kaum oder gar keine Beachtung finden. Die Wahrnehmung selbst und sei sie auch noch so beiläufig, banal oder grotesk wird zum Mittelpunkt. Das muss man mögen, darauf muss man sich einlassen können. Ansonsten wird man mangels eines klassischen Spannungsbogens, einer klassischen Erzählweise sicherlich enttäuscht werden. Wer allerdings Neues entdecken möchte, wer sich an Sprache ergötzen kann, wer sich gerne irritieren lässt, um aus den gewohnten Bahnen auszubrechen, der wird mit Den Kern schluckt man nicht viel Freude haben.

Protagonist ist M. Der namenlose Sohn der Familie. Natürlich ist man geneigt sofort Assoziationen zu Kafkas K. zu ziehen. Doch die Geschichte ist nicht kafkaesk. Tezkan versucht nicht dem großen Namen nachzueifern. Vielmehr ist es eine Hommage und zugleich ein Destillat von Sprache. Ein Merkmal des gesamten Debüts. Die Kapitelüberschriften bestehen lediglich aus einem Wort. Die Sätze sind meist kurz, präzise, exakt. Geradezu rein. Es herrscht ein antiseptischer klinischer Stil, eine kühle Distanz, die die Wärme vermissen lässt. Die Wärme einer intakten Familie?

Uneindeutig

Den groben Rahmen der episodenhaften Erzählung bildet der Tod des „Opas“. Die Szenerie ähnelt häufig einem Kammerspiel. Die kleine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus im dörflichen Nirgendwo. Die klaustrophobische Stimmung, die Tristes, die Einsamkeit und das Unbehagen schlagen sich in den Sätzen nieder wie der Morgentau auf einer abgelegenen Wiese. Vater und Mutter scheinen mit M. überfordert zu sein. Und M. scheint mit dem Leben überfordert zu sein. M. ist augenscheinlich verhaltensauffällig. Ist er autistisch? Oder neurotisch? Vielleicht ist er auch einfach nur ein introvertierter und rebellierender Heranwachsender. Oder lässt uns Tezkan gerade dabei zuschauen, wie jemand am Leben zu scheitern beginnt?

M. kapselt sich jedenfalls von der Welt um ihn herum ab. Oder kapselt sich die Welt von ihm ab? Das Ausschließen der Welt symbolisiert Tezkan indem sich M. immer wieder die Kopfhörer über die Ohren setzt. Er mauert sich regelrecht ein, ist die lebendige leibnizsche Monade, gefangen im vermeintlich unteilbaren und unmitteilbaren Erleben und Empfinden. Das Verhalten M.s mutet häufig seltsam an, es irritiert, verwirrt. Was stimmt mit M. nicht? Wenn man so möchte, ist dies der versteckte Spannungsbogen. Wer ist M. und warum ist er so wie er ist?

Hakan Tezkan spielt sowohl mit der Sprache als auch mit den Erwartungen und Gewohnheiten seiner Leser*innen. Er bricht mit Konventionen und das kann in Gänze begeistern oder enttäuschen. Wer Literatur auch als Kunstform mag und nicht nur als reine Unterhaltung, bekommt mit Den Kern schluckt man nicht ein Debüt, dass in Erinnerung bleibt.

Cover des Buches Den Kern schluckt man nicht (ISBN: 9783946989080)
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Rezension zu "Den Kern schluckt man nicht" von Hakan Tezkan

Kurz und prägnant
gstvor 6 Jahren

„Während der Vater die Zeitung zusammenfaltete, sah M auf den Teller vor sich, auf die rote Umrandung und die kleinen, gebrochenen Stellen am Tellerrand. Er fuhr mit dem Finger darüber. Manche Stellen waren glatt, andere hingegen rau und scharfkantig.“ (Seite 9)

Der Autor beobachtet präzise, so dass die Bilder wie ein Film vor dem Auge des Lesers ablaufen. Es geschieht nichts aufregendes – oder besser gesagt: alles wird so stoisch beschrieben, als geschähe nichts besonderes. Der Leser taucht in die Welt eines alterslosen Kindes ein, für das alles selbstverständlich ist. Doch mit ein wenig Lebenserfahrung entstehen Emotionen, da sich die Verhaltensmuster ganz anders einordnen lassen. Und unvermittelt fragt man sich, was die Familienmitglieder für ein Verhältnis zueinander haben.

Seite 33:
„… sah abermals hoch, zur dritten Etage, wo die Mutter stand, mit dem Rücken ans Fenster gelehnt, die lockigen Haare gegen das Fenster gedrückt, und wo der Vater stand, von dem nur die rechte , obere Hälfte des Gesichts zu sehen war. Die Mutter schaute am Vater vorbei auf etwas, das sie in der Hand hielt. Als der Vater seine Hand auf das Ohr der Mutter legte, ließ sie den Kopf wie auf Kommando nach vorn auf seine Brust fallen.“

Neben den zahlreichen Episoden aus dem Familienleben haben mir auch die Beobachtungen der Umgebung gefallen:

„Im Zentrum des Marktplatzes stand eine Bronzestatue. Sie zeigte einen Offizier auf einem Pferd. Auf dem Kopf des Offiziers saß quer ein Zweispitzhut, er reckte eine Lanze in die Luft, und als wollte er ein Heer in eine Schlacht peitschen, war sein Mund weit aufgerissen. Das Pferd aber schien zu traben, nur leicht hatte es eines der Vorderbeine angewinkelt, und schlaff hing auch die Leine von seinem Hals herunter.
Jeden Morgen kam der Mann mit dem Lappen, die Statue zu polieren. Mit dem Oberkörper pflegte er dabei auf- und abzuwippen, und die Haare die ihm übrig geblieben waren, fielen ihm in feinen Strähnen übers Gesicht.“
(Seite 21)

Hakan Tezkan wurde 1989 in Göttingen geboren, wuchs in Bergisch Gladbach auf und lebt heute in Wuppertal, wo er nach seinem Studium am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig ein Lehramtsstudium aufgenommen hat. Sein Debütroman „Den Kern schluckt man nicht“ ist nur 125 Seiten lang. Er ist in drei Teile gegliedert, von denen jeder aus kurzen, prägnanten Kapiteln von ein bis sieben Seiten besteht.

Ich bin wirklich begeistert von der knappen Sprache, in der jeder Satz auf den Punkt kommt. Wer keine ausschweifenden Erklärungen braucht, der wird seine Freude an diesem Roman haben, der sich leicht an einem Nachmittag weglesen lässt.

Gespräche aus der Community

M
Mogli99

Zum Thema
3 Beiträge
M
Letzter Beitrag von  Mogli99vor 6 Jahren
29.05.2018:
Das Debüt im Livres
Ort: Café LIVRES, Moltkestraße 2a, 45128 Essen
Eintritt: frei
Moderation: B. A. Badura
Platzreservierung unter: info[at]dasdebuet.de

www.dasdebuet.com/veranstaltungen/

Zum Thema
1 Beiträge
M
Letzter Beitrag von  Mogli99vor 6 Jahren
Institutsprosa Freitag, 16.03.2018, 19.00 - 22.00 Uhr Einlass 18.30 Uhr Wie jedes Jahr kommen am Freitagabend der Buchmesse ehemalige Studierende des Literaturinstituts zurück in die Wächterstraße und lesen aus ihren frisch gedruckten Romanen und Erzählbänden. Diesmal mit Volker Altwasser, Lorenz Just, Anja Kampmann, Judith Keller, Lisa Kreißler, Matthias Senkel, Hakan Tezkan, Florian Wacker und Maren Wurster. Jörn Dege moderiert. Der Eintritt ist frei. www.facebook.com/events/426482661103309/

Zusätzliche Informationen

Hakan Tezkan wurde am 29. April 1989 in Göttingen (Deutschland) geboren.

Hakan Tezkan im Netz:

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in 2 Bibliotheken

von 1 Leser*innen gefolgt

Worüber schreibt Hakan Tezkan?

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