Wie verzaubert erscheinen einem die Sätze, die sich in diesem Buch aneinander reihen und von Erjan erzählen, der längst kein Junge mehr ist, aber noch immer so aussieht und der auf ganz wunderbare Weise Geige spielt und damit seine Zuhörer in den Bann zieht. Hamid Ismailov gelingt es auf frapierende Weise den Riss zwischen zwei Welten darzustellen. Die karge Steppe Kasachstans, in der Erjan bereits als Kind aufwuchs, in der er die Weite und die Einsamkeit lieben lernte und in der er sich immer zuhause fühlte bilden den natürlichen Standpunkt. Er suggeriert das Gefühl von Heimat, von Selbstverständlichkeit und erfährt auf skrupellose Weise was Menschenhände in der Lage sind daraus zu machen. Atombombentests. Versäuchte Seen auf Grund der Versuche. Verkrüppelte und Kleinwüchsige. Zu früh gestorbene. Über der tragischen Geschichte aber weht immerzu das bezaubende Geigenspiel von Erjan, der in einem Zug sitzt und scheinbar an seiner eigenen Kindheit vorbei fährt. Ein Buch das viel zu schnell vorbei ist aber weit über seine Seiten hinaus beim Leser nachwirkt.
Hamid Ismailov
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Hamid Ismailov
Wunderkind Erjan
Underground
Neue Rezensionen zu Hamid Ismailov
Über den Autor:
Hamid Ismailov wurde 1954 an der Grenze zwischen Kirgisistan und Kasachstan geboren. Später lebte er in Usbekistan, wobei er das Land 1992 verlassen musste und nach London emigrierte. Seitdem arbeitet er als Journalist. Für den Kurzroman "Wunderkind Erjan" bekam der Autor EBRD Literaturpreis.
Kurzbeschreibung: Durch die Weite der Steppe Kasachstans fährt ratternd ein Zug. In ihm begegnen sich ein Reisender und Erjan, das Wunderkind. Der Knabe spielt mitten in dieser vom Zug durchquerten Einöde so virtuos auf seiner Violine, dass nicht nur dem Erzähler Hören und Sagen vergeht. Doch die Musik bleibt nicht das einzige Wunder. Denn der Junge, der aussieht wie zehn oder zwölf, ist in Wahrheit bereits ein Mann von 27 Jahren; als Kind tauchte er allen Warnungen zum Trotz in einen nuklear verseuchten See...
Meine Meinung:
Zu dem Inhalt gibt es nicht allzu viel beizufügen, denn es wurde im Grunde genommen, kaum was erzählt. Der Roman hat nur 180 Seiten, und die Hälfte davon wurde der Sicht aus dem Fenster eines Zuges beschrieben, oder die Umgebung und die Natur, also die Steppe des Kasachstans. Für die Liebhaber der Naturbeschreibungen wäre das Buch sicher ein Gewinn.
Meine Interessen widmen sich generell den Menschen zu. Den Protagonisten, in diesem Fall ein Wunderknabe Erjan. Zu ihm erfahren wir aber leider nicht allzu viel. Als Leser verfolgt man den Jungen im Kindesalter und dann als 27. jährigen. Alles was man im Grunde aus dem Roman erfährt, weiß man schon aus der Kurzbeschreibung.
Das wichtigste Thema des Buchs ist die Grausamkeit des sowjetischen Systems und die atomaren Testversuche im Land und die Folgen auf die Bewohner. Die Gefahr, die von der s.g. Zone kommt, ist enorm.
Zwischen 1949 und 1989 wurden in der Steppe Kasachstans insgesamt 468 atomare Sprengkörper ausgelöst, deren gesamte Sprengkraft die der Hiroshima-Bombe um ein Vielfaches übertraf.
Die Bewohner ahnen, dass das ganze Übel von den Testversuchen der atomaren Waffen kommt, doch sie informiert niemand, dass die Gefahr für die Bevölkerung besteht. Ohne Frage, ein wichtiges, bewegendes und diskussionswürdiges Thema.
Die Rahmenbedienungen für die Geschichte sind spektakulär, doch ehrlich gesagt, hat mich kein einziger Satz tatsächlich berührt. Wie auch die Charaktere, weil die zu kurz kamen und oberflächlich blieben.
Mir bleibt es schleierhaft, wie die Literaturkritiker bei so einem Roman begeistert sein können. Ja, die Thematik absolut wichtig und gehört unbedingt in die Literaturwelt, doch die Darbietung war doch eher lahm.
Ich möchte es betonen, dass es meine Wahrnehmung ist. Ich kann mir mindestens zehn Leser hier im BT vorstellen, denen dieser kurze Roman sehr gut gefallen könnte.
Auf einer Zugreise durch Kasachstan lernt ein Reisender, fortan der Erzähler der Geschichte, das Wunderkind Erjan kennen. Dieser ist eigentlich schon 27 Jahre alt, allerdings gerade mal so groß wie ein Zwölfjähriger. Die Ursache dafür sieht er selbst in einem Bad in einem nuklearverseuchten See. Auch sonst spielen die unzähligen Atombombentests während des Kalten Krieges in der kasachischen Steppe immer wieder eine Rolle in dieser Erzählung und geben ihr eine besondere Note. Ansonsten ist es nämlich eine recht kurze und gewöhnliche russische Geschichte einer Kindheit in der Steppe. Atmosphärisch, teilweise auch spannend.
Hat mir gut gefallen und ist es auf jeden Fall wert, gelesen zu werden.4 Sterne
Gespräche aus der Community
Community-Statistik
in 11 Bibliotheken
auf 1 Merkzettel