„MEIN (!) BESTES, Finger weg!“
von Hanna Fiedler, Verlag und Druck Buchschmiede von Dataform Media GmbH, Wien 2022
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Das Heranwachsen der kleinen Susanne als Einzelkind der sogenannten Babyboomer Generation wird aus ihrer Perspektive erzählt, aus der Sicht des Kindes. Es grübelt über so manche Benimmregel und fragt sich zuweilen, warum die Wünsche Erwachsener so widersprüchlich sind. Die unverständlichen Vorschriften und Entscheidungen will Susanne nur befolgen, wenn sie deren Sinn versteht. Doch dem Kind wird nichts erklärt, es hat zu funktionieren.
So ausgeliefert sich Susanne auch fühlt, so klar wird ihr bald, was Omi von ihr möchte, wie sich „das Eltern“ Ingrid bemüht und sich doch nicht aus der mütterlichen Bevormundung befreien kann und was Tanten und vor allem Onkel von ihr erwarten. Jeder Tag ist ein neues Abenteuer, zuweilen aber auch nur eine leere Wartezeit vom Abgegeben Werden beim Kindergarten bis zum nachhause Eilen nach Ingrids Arbeit. Für Susanne ist Omi so dominant, dass sie die Eltern als eine ferne Einheit erlebt, die in zwei Hälften hin und wieder interagiert, das „Eltern Ingrid“ und das „Eltern Vater“, der überhaupt nur an Wochenenden vorbeischaut. Es gibt einen Machtkampf um die Erziehung des Kindes, weniger um das Kind selbst. Omi behält die Überhand. Man hat zu folgen, das gilt auch für das „Eltern Ingrid“ von der Susanne weiß, es ist die Mutter. Sie spürt es aber kaum.
Da Susanne aus ihrer Sicht von den Ereignissen erzählt, liest sich das Werk mitunter recht humorvoll, denn sie interpretiert nach ihrem Gutdünken, was man ihr als Erklärung vorenthält und sie handelt auch nach eigenem Antrieb, denn Erwachsenen traut sie selten über den Weg. So nennt man sie unwillig, unbelehrbar, schwierig. Und das, obwohl sie sehr bald erkannt hat, was Erwachsene wollen, nämlich sich angepasst und ruhig neben ihnen zu verhalten. Sie übt sich darin, flieht gedanklich in die Welt der Fantasie und überlässt es ihrem körperlichen Ich, „artig“ zu sein.
Als Conclusio gibt uns Hanna Fiedler zehn Lehren mit, die sie aus ihrer Geschichte gezogen hat. Es sind Möglichkeiten, dem Unausweichlichen zu begegnen, ohne sich ihm zu beugen.
Beeindruckend fand ich an diesem schmalen und doch inhaltlich reichen Werk die Poesie zu Beginn im Gedicht „Mädchen“ und auch in den Bildern, die jedes Kapitel eröffnen. Man sieht Perlen, die teilweise aufgefädelt sind, dann wieder in einem Häufchen liegen, daneben die leere Schnur, mal reihen sich die Perlen einem ordentlich entgegen, mal verschlungen, verspielt. Diese einfachen Bilder sagen aus, was im Erzählen zwischen den Zeilen mitschwingt.
Mich hat Susannes Geschichte bereichert und an alte Erziehungsmethoden erinnert, die zwar (zum Glück) nicht mehr aktuell sind, aber in den Köpfen mancher noch immer mitschwingen. Wer seine Vergangenheit erkennt und seine Prägung, kann mit der Gegenwart besser umgehen. Auch das sagt Hanna Fiedlers Geschichte aus.